Wenn der kenianische Rapper Peter Mweke seine Songs vorträgt, erzählt er auch aus seinem eigenen Leben: Wie er mit fünf Jahren auf den Straßen Nairobis landete, klaute und Klebstoff schnüffelte oder mit zwölf für drei Jahre ins Gefängnis musste. Dann die Wende: Der Sozialarbeiter eines von der Kindernothilfe unterstützten kirchlichen Zentrums nimmt ihn auf. Er geht zur Schule, lernt Gitarre spielen und schreibt eigene Texte.
Heute kann der 25-Jährige von seiner Musik leben und fördert andere Kinder, damit sie nicht auf der Straße landen, der "Hölle auf Erden". Mwekes Erfahrung ist eine von vielen Erfolgsgeschichten, die durch das weltweite Engagement der Kindernothilfe möglich wurden. Vor 60 Jahren, am 11. Mai 1959, entstand die Idee der Patenschaften für notleidende Kinder in anderen Ländern, die schließlich zur Gründung des christlichen Hilfswerk führten.
Arbeit in 33 Ländern
Heute arbeitet die Kindernothilfe mit fast 400 Organisationen in 33 Ländern in Afrika, Asien, Lateinamerika und Europa zusammen, um Mädchen und Jungen auf ihrem Weg in ein selbstbestimmtes Leben zu unterstützen. In den 60 Jahren ihres Bestehens förderte sie nach eigenen Angaben etwa 7,1 Millionen Kinder und Jugendliche in 5.300 Projekten lokaler Partner. Aktuell sind es 1,9 Millionen Kinder in fast 700 Projekten. Hinter den Zahlen verbergen sich bewegende Einzelschicksale.
Das Spektrum der Hilfe reicht vom Schulbesuch über Ernährung und Gesundheit in Dörfern und Armenvierteln bis zum Schutz vor Gewalt, Ausbeutung und sexuellem Missbrauch. Humanitäre Unterstützung leistet das Hilfswerk auch bei Erdbeben oder Überschwemmungen. "Für mich hat jedes Kind als Gottes Kind ein Recht darauf, in stabilen und geschützten Verhältnissen aufzuwachsen", sagt die Leiterin der Kindernothilfe, Katrin Weidemann. "Dafür setzen wir uns ein."
Im Jahr 2017 sammelte das Hilfswerk gut 68 Millionen Euro aus Spenden, Patenschaften und weiteren Zuwendungen. Davon flossen knapp 83 Prozent direkt in Projekte und gut 17 Prozent in Werbung und Verwaltung. Ihre seriöse Haushaltsführung brachte der Kindernothilfe einen Ruf als "Hilfswerk mit gläsernen Taschen" ein, seit 1992 erhielt sie jedes Jahr das begehrte Spendensiegel des Zentralinstituts für soziale Fragen.
Kontinuität und Wachstum waren nur möglich, weil die Arbeit immer weiterentwickelt wurde. Die konkrete Hilfe begann, als engagierte Christen 1959 in einem Duisburger Wohnzimmer die ersten fünf Patenschaften auf den Weg brachten, um armen Kindern in Indien einen Platz im Schülerwohnheim zu finanzieren. "Was ich gemacht habe, war mir von Gott zugedacht", sagt einer der Gründerväter, der 92-jährige Lüder Lüers.
Er gab damals seinen Gartenbaubetrieb auf und ging nach Indien. Heute freut er sich darüber, dass viele Patenkinder von einst Ärzte, Lehrer oder Anwälte wurden und nun selbst Verantwortung für andere Kinder übernehmen. "Dadurch multipliziert sich die Hilfe", sagt Lüers.
Patenschaften gerieten in die Kritik
Ausgerechnet die Patenschaften, das Herzstück der Hilfsarbeit, gerieten in den 80er Jahren in die Kritik: In der linken entwicklungspolitischen Szene galten sie als "paternalistisch" und überholt. Als 1989 die UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet wurde, erweiterte die Kindernothilfe ihr Spektrum und wandelte sich in den 90er Jahren mit dem Aufbau einer Lobby- und Advocacy-Arbeit zur Kinderrechtsorganisation, die sich als "Anwältin der Kinder" auf allen Ebenen versteht.
"Kinder sollen nicht nur Zielgruppe, sondern Akteure sein, die selbst Projekte mit entwickeln," sagt Vorstandschefin Weidemann. So fragte das Hilfswerk 2017 in einer Kampagne mit anderen Organisationen 2.000 arbeitende Kinder weltweit, wie sie selbst ihr Leben sehen und was sich ändern soll.
"Kinderrechte dürfen keine Träume bleiben", lautet das Motto des Jubiläumsjahres. Neben einer Beteiligung der Betroffenen setzt die Kindernothilfe auch auf Selbsthilfegruppen zur Armutsbekämpfung.
Dabei lernen Frauen, durch selbst angesparte Kleinstkredite eigene Einkommen zu erwirtschaften, etwa durch Brotbacken oder eine Hühnerzucht. Sie verbessern so das Leben der ganzen Familie und auch der Dorfgemeinschaft.