Alina ist über 80. In einem Heim für Demenzerkrankte wird sie liebevoll gepflegt. Als ihr Mann nach über 60 gemeinsamen Ehejahren starb, konnte sie nicht mehr alleine leben.
Damals haben Freunde und Familie den Hausstand der Eheleute aufgelöst. Versprachen, nichts wegzuwerfen. Ehemann Jerzy war Holocaustüberlebender, auch Alina unter den Nationalsozialisten in Polen verfolgt. Alles hatten sie damals verloren. Nicht ein Foto, nicht eine Erinnerung konnte gerettet werden. Umso wichtiger die Dinge, die sie im Laufe ihres kargen Lebens anschaffen konnten. Umso unvorstellbarer, sie dem Müllschlucker zu überlassen.
Jerzy und Alina lebten zurückgezogen. In ihre Wohnung ließen sie nur Familie. So zögerten meine Hände ein ums andere Mal, die Schubladen zu öffnen, die Schrankfächer auszuräumen. Andererseits wussten sie: Nur, wenn sie die Dinge ergriffen, konnten sie anderen Menschen nutzen oder von ihnen in Ehren gehalten werden.
Hinreißendes Porzellan, geschliffene Gläser, Sammlungen von Fingerhüten, Schallplatten und Wandtellern. Zwei junge Mädchen suchten sich zusammen, was man früher eine Aussteuer nannte. Wir verschickten Andenken nach ganz Deutschland, eine Sozialfirma freute sich über medizinische Betten, Kleider und Haushaltsgeräte. Wir lösten unser Versprechen ein.
Dinge bedeuten mir selten etwas. Meistens lasten sie nur auf mir. Ich weiß, das ist bei anderen Menschen anders. Da muss ich nur auf meinen JägerundSammler Ehemann schauen. Freudestrahlend kommt er von seinen Beutezügen heim.
Mein Herz im Tunnelblick aber seufzt. Sieht nur übervolle Schränke, übervolle Stauwinkel und übervolle Regale. In denen nicht selten der neue Gegenstand in abgewandelter Form eh schon lagert.
Die schmalen, schwarzen Handschuhe mit den Perlenknöpfen leuchten mir im graunassen Wald bunt entgegen. Waschen mir das Herz, sind so viel mehr als nur Handschuhe.
Während sie der Großen in Ausschwitz und auf Hundespaziergängen die Hände wärmen, lebt die Welt zweier Menschen weiter. Bewahren alles, was sie uns zu sagen hatten. Sind ein Vermächtnis.
Mehr Wert können Dinge nicht haben.