Von der Ernährungskrise im Niger nimmt die Welt kaum Notiz

Der stille Hunger

Dürren, Überschwemmungen und zerstörte Hirsefelder gehören für viele Menschen im Niger zum Alltag. Fast jedes Jahr leiden sie drei Monate an Hunger, bevor im Oktober eine neue Ernte kommt. In diesem Jahr ist es besonders schlimm.

Autor/in:
Marc Patzwald
 (DR)

Der Niger gehört zu den Ländern, in denen der Hunger am schlimmsten ist. Gabriele Bargel, Projektreferentin bei Caritas international, nennt die Lage zurzeit besonders prekär: In diesem Jahr hätten sich viele Menschen im Niger sogar fast sechs Monate lang nicht ausreichend ernähren können. Landwirtschaft ist dem Land in der Sahelzone ohnehin schwierig. Der Niger, dreieinhalb mal so groß wie Deutschland, besteht zu großen Teilen aus Sand- und Steinwüsten, die in die Sahara übergehen. Im Süden liegt die Trockensavanne.



Der Niger ist abhängig von Lebensmitteleinfuhren. Seit ein paar Jahren treffen Dürren und Überschwemmungen den Sahel häufiger. Als Ursache gilt der Klimawandel. Laut Caritas international gibt es zwar genügend Nahrungsmittel wie Hirse und Reis in den Geschäften, allerdings können sie sich viele Menschen nicht leisten. Die katholische Organisation spricht daher von einer Armutskrise.



Ralf Südhoff vom Welternährungsprogramm (WFP) beklagt zudem eine Teuerung im Niger vor einigen Monaten um rund 50 Prozent infolge der Entwicklung auf dem Weltmarkt. "Die Menschen mussten vor dem Preisanstieg bereits zwei Drittel oder drei Viertel ihres Einkommens für Nahrung ausgeben", sagte der Leiter des Berliner WFP-Büros dem epd.



In einer solchen Situation könnten sich viele Familien nur ausreichend ernähren, wenn sie ihr Vieh verkauften, auf notwendige Arztbesuche verzichteten oder Kinder aus der Schule nähmen. Südhoff: Alles Maßnahmen, die den Menschen zwar kurzzeitig helfen, sie aber langfristig tiefer in Armut und Hunger drängen.



Weltweit den niedrigsten Lebensstandard

Anders als etwa die Flutkatastrophe in Pakistan werde die dramatische Lage im Niger leider von der Welt vergessen, erklärte Südhoff. "Für viele afrikanische Staaten, die weder politisch noch touristisch interessant sind, ist es schwer, Interesse zu wecken." Die privaten Spenden seien im Vergleich zu Pakistan "inexistent".



Der Niger hat weltweit den niedrigsten Lebensstandard. Das Land war 2009 Schlusslicht von 182 Staaten in dem Ranking, das das UN-Entwicklungsprogramm anhand seines Indexes erstellte. Beispielsweise beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung nur 48 Jahre.



Die Hilfsorganisationen sind sich einig, dass neben der akuten Hilfe auch Investitionen in die Zukunft nötig sind. Dazu gehört der Schutz vor Erosion, damit fruchtbare Erde nicht von Wasser oder Wind weggetragen wird. Bewässerungsanlagen und Brunnen sind ebenso wichtig wie Straßen, damit Bauern auch ihre Erzeugnisse auf Märkten verkaufen können.



Politische Wirren erschweren Reformen. Nach einem Militärputsch im Februar wurde eine Übergangsregierung eingesetzt. Für Anfang 2011 hat der neue Machthaber, General Salou Djibo, aber eine Rückkehr zur Demokratie angekündigt.



Unterdessen stellen sich die Hilfswerke auf die bevorstehende Erntezeit ein. Selbst wenn die Erträge gut werden, bessert sich die Ernährungslage nicht sofort. Weil viele Menschen Geld brauchen, um sich Essen kaufen zu können, starteten Hilfswerke Job-Programme. Wer in den Dörfern Bäume pflanzt oder Dämme baut, erhält umgerechnet 1,50 Euro am Tag.