Vor 10 Jahren begann Ratzingers Offensive gegen den Relativismus

Mit "Dominus Iesus" kam die Wende

In späteren Büchern der Kirchengeschichte wird das Datum wohl als ein Wendepunkt verzeichnet sein: der 6. August des Jahres 2000, an dem Kardinal Joseph Ratzinger und Erzbischof Tarcisio Bertone in Rom die Erklärung "Dominus Iesus" unterzeichneten. In "Dominus Iesus" formulierte der spätere Papst erstmals in aller Breite seine Kampfansage an den Relativismus.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
 (DR)

Das Schreiben hatte Johannes Paul II. bereits acht Wochen vorher in einer Spezialaudienz ausdrücklich genehmigt. Nach der Unterzeichnung dauerte es einen weiteren Monat, bis der Kardinalpräfekt der Glaubenskongregation das Dokument am 5.
September der im Vatikan versammelten Weltpresse vorstellte. Kopien des Aufsehen erregenden Textes kursierten zuvor bereits unter Journalisten. Doch erst als Ratzinger es vorstellte und einordnete, wurde die ganze Wucht und Tragweite des Dokumentes deutlich.

Der Relativismus. Jene Geisteshaltung, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst unmerklich, im Jahrzehnt nach dem Ende des Kalten Krieges dann aber immer spürbarer außerhalb und schließlich auch innerhalb der Kirche breitgemacht hatte. Es geht um die Idee, «dass alle Religionen für ihre Anhänger in gleicher Weise gültige Heilswege seien», formulierte Ratzinger damals in der Pressekonferenz. Grundlegend für diese irrige Idee sei die Annahme, dass die göttliche Wahrheit überhaupt nicht verbindlich ausgesprochen werden könne. Und die Einstellung, dass es Wahrheiten gebe, die nur für manche Menschen gelten, für andere hingegen nicht.

Knapp aber deutlich
Das vergleichsweise knappe 23-Punkte-Dokument unterschied sich in seiner Diktion und Klarheit deutlich von den langen und stellenweise umständlichen Lehrschreiben des damaligen Papstes. In dem Text wandte sich Ratzinger grundsätzlich gegen das, was er für eine falsche Interpretation des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 - 1965) und des «Interreligiösen Dialogs» hielt: Der Dialog sei zu einer Art Dogma geworden. Er bedeute nicht mehr das Ringen um DIE Wahrheit, sondern das paritätische Gegenüberstellen verschiedener Wahrheiten, um eine möglichst weite Integration der verschiedenen religiösen Überzeugungen zu erlangen.

Der Text war ein Rundumschlag gegen alles, was seit dem Konzil an wohlmeinenden, aber falschen Ideen über Toleranz, Religionsfreiheit, Ökumene und Dialog im Umlauf war. Und es war eine Korrektur dessen, was die öffentliche Meinung nach den Verbrüderungsgesten von Papst Johannes Paul II. gegenüber Protestanten, Juden, Muslimen und anderen irrtümlich für die neue, pluralistische Lehre der Kirche hielt. Gleichzeitig begann, spätestens nach der Islamisten-Attacke vom 11. September 2001, eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Islam. Der naive Multikulti-Optimismus des späten 20. Jahrhunderts wurde auch jenseits der Kirchen zunehmend infrage gestellt.
Abgrenzung zu den anderen Religionen
Manchen Aussagen des Konzils, die das Positive und Wertvolle an anderen Konfessionen und Religionen betont hatten, ergänzte der Text jetzt durch ein großes ABER. Symptomatisch dafür ist der Absatz über die Riten anderer Religionen: «Einige Gebete und Riten der anderen Religionen können tatsächlich die Annahme des Evangeliums vorbereiten, insofern sie Gelegenheiten bieten, dass die Herzen der Menschen angetrieben werden, sich dem Wirken Gottes zu öffnen. Man kann ihnen aber nicht einen göttlichen Ursprung oder eine Heilswirksamkeit zuerkennen, die den christlichen Sakramenten eigen ist.»

Diese und andere Passagen brachten Ratzinger damals den Ruf ein, er sei ein Feind des Dialogs der Religionen und vertrete einen neuen katholischen Fundamentalismus. Dieser Vorwurf wurde fünf Jahre später, als er nach einer erneuten Kampfansage an den Relativismus zum Papst gewählt worden war, wiederholt. Der so Gescholtene wird aber nicht müde zu betonen, dass er nichts anderes wolle als eine korrekte Auslegung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Und dessen Texte hatte er schon bei der Abfassung von «Dominus Iesus» auf seiner Seite.