Vor 100 Jahren wurde Heinrich Harrer geboren

Beruf: Entdecker

Abenteurer und Entdecker sind rar geworden in unseren Tagen. Vor gar nicht allzu langer Zeit waren manche Gegenden dieser Welt nur wenigen hartgesottenen Gestalten vorbehalten. Einer von ihnen war der österreichische Bergsteiger und Forschungsreisende Heinrich Harrer.

Autor/in:
Joachim Heinz
 (DR)

Weltruhm erlangte der am 6. Juli 1912 in Obergossen/Hüttenberg, Kärnten geborene Harrer mit seinen Erinnerungen an "Sieben Jahre in Tibet". In dem 1952 erschienenen Buch erzählt der Österreicher seine abenteuerliche Flucht aus einem britischen Kriegsgefangenenlager in Nordindien, die ihn und seinen Landsmann Peter Aufschnaiter Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die abgeschottete Hauptstadt des damals noch selbstständigen Tibet führte. Der tollkühne Trip nach Lhasa, in dessen Verlauf Harrer und Aufschnaiter im Hochgebirge rund 2.100 Kilometer zu Fuß zurücklegten, mündete in eine lebenslange Freundschaft zwischen Harrer und dem heute noch amtierenden 14. Dalai Lama.



Zu diesem Zeitpunkt war der ski- und bergsportverrückte Sohn eines Postbeamten im deutschsprachigen Raum bereits leidlich bekannt. Im Sommer 1938 hatte der damals 26-Jährige zusammen mit Anderl Heckmair, Fritz Kasparek und Ludwig Vörg erstmals die Eiger Nordwand bezwungen. Dieser Aufstieg zum 3.970 Meter hohen Gipfel in den Schweizer Alpen firmierte zu der Zeit auch unter dem Namen "Mordwand" - weil er in den Jahren zuvor mehrere Todesopfer forderte. Umso größer war die Freude über die Rückkehr der vier Erstbegeher. Im Tal, so erinnerte sich Harrer, standen mitten in der Nacht Scharen von Leuten, die plötzlich alle riefen: "Sie kommen!"



Harrer passte sich an

Auch diese Episode lieferte 1958 Stoff für ein Buch, benannt nach einer Schlüsselstelle in der Wand: "Die weiße Spinne". Unter Bergfreunden genießt "Das große Buch vom Eiger" noch heute Kultstatus - anders als die erste Publikation, die kurz nach dem erfolgreichen Gipfelsturm erschien. "Wir haben die Eiger Nordwand durchklettert über den Gipfel hinaus bis zu unserem Führer!" heißt es darin. Harrer distanzierte sich später von dieser "Blödheit": Ein Ghostwriter habe diese und andere Sätze formuliert. Für die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler kam der Triumph kurz nach dem Anschluss Österreichs jedenfalls gerade recht.



Der "Führer" ließ die vier Bergfexe beim "Deutschen Turn- und Sportfest" in Breslau feiern. Harrer passte sich an. Seine Mitgliedschaft in NSDAP und SS rechtfertigte er damit, dass er auf diese Weise ungestört seiner Leidenschaft für Sport habe nachgehen können - ein Vorgehen, dass ihm auf doppelte Weise nutzen sollte. Zunächst nahm er im Sommer 1939 an einer Erkundungsexpedition zum Nanga Parbat im Himalaya teil, dem "Schicksalsberg der Deutschen". Am Ende der prestigeträchtigen Tour stand die Gefangenschaft, die ihn vor folgenreicheren Verstrickungen in das NS-Regime bewahrte und ihn schließlich die Flucht nach Tibet antreten ließ.



Harrer stirbt mit 93 Jahren

Auch nach seiner späten Rückkehr aus dem "Land der Götter" reist Harrer um die Welt. Thailand, Bolivien oder Alaska heißen die Stationen. In Indonesien steht er 1962 mit seinem Team als erster auf der 4.884 Meter hohen Carstensz-Pyramide. Während dieser Reise stürzt er bei Dreharbeiten in einen Wasserfall und zieht sich 32 Knochenbrüche zu. Unkaputtbar scheint der Mann mit dem wehenden Haupthaar zu sein, der im gesegneten Alter von 85 Jahren noch erlebt, dass Hollywood seine Zeit in Tibet mit Brad Pitt in der Hauptrolle verfilmt.



Die Faszination für dieses Land werde auf ewig erhalten bleiben, sagte Harrer bei der Gelegenheit. Er selbst starb mit 93 Jahren, am 7. Januar 2006. An sein Leben erinnert ein Museum in seinem Geburtsort - mit buddhistischem Pilgerpfad, eingeweiht 2002 von seinem Freund, dem Dalai Lama.