Bis kurz vor zehn Uhr abends am 2. September 2004 schleppten Bibliotheksmitarbeiter und Weimarer Bürger, die herbeigeeilt waren, wertvolle Bücher, Bilder und Skulpturen aus dem brennenden Gebäude ins Freie. Danach sperrte die Feuerwehr den Zugang zur Herzogin Anna Amalia Bibliothek.
"Erst in dieser Sekunde ist mir eingefallen, dass da noch unsere sehr wertvolle Bibelsammlung steht mit einer Lutherbibel aus dem Jahre 1534, der ersten Gesamtausgabe", erinnert sich Michael Knoche, der damalige Direktor der Bibliothek im Interview mit dem Deutschlandfunk.
Wertvolle Lutherbibel in letzter Sekunde gerettet
Die Feuerwehr ließ ihn dann doch noch einmal in den weltberühmten Rokokosaal: "Von oben floss natürlich Unmengen Löschwasser auf uns nieder, und zwar heißes Löschwasser, und dann haben wir uns an das Regal vorgetastet und die Bücher gegriffen und sind schleunigst wieder aus dem Saal hinaus."
20 Jahre ist es her, dass die 1691 gegründete Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Brand geriet. Auslöser war ein unentdeckter Kabelbrand.
50.000 Bände wurden damals vernichtet, etwa 60.000 konnten, wenn auch beschädigt, gerettet werden. Die Mauern aus dem Jahre 1595 hielten dem Brand stand, die Decke stürzte ein. Auch zwölf Stunden nach dem Brand "regnete" es aus dem Himmel über Weimar verkohlte Buchseiten, berichten Zeitzeugen. 2007 wurde das restaurierte Bibliotheksgebäude dann wieder eröffnet.
Benannt wurde die Bibliothek 1991 zum 300. Gründungstag nach Anna Amalia (1739-1807), der Herzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach, die mit 18 Jahren dortige Regentin wurde. Sie veranlasste den Umzug der Einrichtung ins sogenannte Grüne Schloss, das zwischen 1562 und 1569 erbaut wurde.
Der Name geht vermutlich auf die grünliche Patina des Kupferdaches zurück. Der ganz in Weiß und Gold gehaltene Rokokosaal und seine Galerien bildet das Herzstück.
Deckenbild des Rokokosaals völlig verbrannt
Berühmt wurde auch das Deckenbild des Saals, "Genius des Ruhms" von 1794, auf dem ein geflügelter Jüngling in den blauen Himmel aufsteigt. Es verbrannte 2004 vollständig.
"Am anderen Morgen, als dann die Sonne wieder aufging, sah man auch in den blauen Himmel vom Saal aus. Das war ein schöner und schrecklicher Anblick zugleich", erinnert sich der ehemalige Direktor Knoche. Das Gemälde von Johann Heinrich Meyer ersetzte der badische Kirchenmaler Hermenegild Peiker im Jahr 2007.
1797 erhielt Johann Wolfgang von Goethe die Oberaufsicht über die Bibliothek. Der Weimarer Dichter leitete sie bis zu seinem Tode 1832 als Bibliothekar 35 Jahre lang und führte sie zu einer der bedeutendsten Bibliotheken Deutschlands jener Zeit.
Während seiner Amtszeit verdoppelten sich die Bestände auf 80.000 Bände. Die Bibliothek prägte die Weimarer Klassik mit und ist bis heute eines der wichtigsten Archive dieser Epoche.
Zu den Kostbarkeiten der Sammlungen gehören auch mittelalterliche und frühneuzeitliche Buchhandschriften, etwa ein karolingisches Evangeliar aus dem 9. Jahrhundert, eine umfangreiche Atlantensammlung, eine Sammlung von Flugschriften aus der Reformationszeit sowie die weltweit größte Faust-Sammlung zur historischen Person Faust.
Durch den Brand größtenteils zerstört wurde etwa die Musikaliensammlung der Herzogin Anna Amalia und auch ein Großteil der Bibelsammlung.
Jeder ab 14 Jahren kann sich als Leser anmelden
Seit 1998 zählt die Bibliothek zum Weltkulturerbe der Unesco. Über eine Million Medien stehen den Angaben zufolge zur Verfügung. Jede Person ab 14 Jahren kann sich als Leser eintragen lassen und die Bestände nutzen.
Den Weimarer Bürgern ist die Brandnacht bis heute deutlich in Erinnerung geblieben. "Schon auf der Anfahrt habe ich Flammen aus dem Dachstuhl gesehen und wusste, dass wird jetzt anders, als wir das am Anfang vermutet hatten", so etwa Ralf Seeber, der damalige Einsatzleiter Feuerwehr.
Die Stiftung Weimarer Klassik hat solche Zeitzeugenberichte rund um die Brandnacht, aber auch zur persönlichen Bedeutung der Bibliothek für die Weimarer Bürger anlässlich des Jahrestags des Brandes gesammelt; ab dem 6. September können die Videointerviews demnach in den Digitalen Sammlungen der Bibliothek abgerufen werden.