DOMRADIO.DE: Im Moment ist der Evangelische Kirchentag in Nürnberg, vor 20 Jahren war der Ökumenische Kirchentag in Berlin. Zum besagten Gottesdienst damals wurden explizit auch Nicht-Katholiken zum Kommunionempfang eingeladen, allerdings gehörte er nicht offiziell zum ökumenischen Kirchentag, dennoch sorgte der Gottesdienst für viele Schlagzeilen. Aus heutiger Sicht und mit Abstand von 20 Jahren: Wie schauen Sie auf diesen Gottesdienst; mehr Schaden als Nutzen?
Prof. Dr. Dorothea Sattler (Professorin für Dogmatik und Ökumenische Theologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Direktorin des Ökumenischen Instituts an deren Katholisch-Theologischer Fakultät): Das Geschehen hat auf jeden Fall gezeigt – und die Entwicklung ging auch in die Richtung weiter – dass wir doch eine hohe Sehnsucht als getaufte Christinnen und Christen haben, gemeinsam Eucharistie und Abendmahl zu feiern. Insofern hat es doch etwas gebracht, nämlich dann weitere Bemühungen auch in Gang gesetzt.
DOMRADIO.DE: Gotthold Hasenhüttl ist mittlerweile aus der Kirche ausgetreten. Damals wurde er zeitnah nach dem Gottesdienst als Priester suspendiert durch den damaligen Trierer Bischof Reinhard Marx. Hatte die Kirche damals keine andere Möglichkeit und musste so hart reagieren?
Sattler: Die kirchenrechtlichen Bestimmungen sind ja heute noch genauso. Es hätte aus meiner Sicht auf jeden Fall klugerweise mehr Gespräche geben können. Es sind sehr bald Zeichen gesetzt worden und aus heutiger Sicht wäre sicher zu überlegen, ob es in dieser Strenge und in dieser Direktheit auch zeitlich betrachtet angemessen war.
DOMRADIO.DE: Die Forderung nach einem gemeinsamen Abendmahl gibt es ja nun wirklich schon lange. Warum ist die katholische Kirche so streng bei der Zulassung zum Kommmunionempfang? Andere Konfessionen sind hier aber eher offen für die Teilnahme von anderen Konfessionen bei ihren Abendmahls-Gottesdiensten.
Sattler: Aus römisch-katholischer Sicht ist die Kirchengemeinschaft, die schon besteht, die Voraussetzung für Eucharistie- und Abendmahlsgemeinschaft. Jedenfalls ist das die kirchenoffizielle Position.
Es gibt allerdings auch beim Zweiten Vatikanischen Konzil mehr Offenheit in der Frage und in die Richtung sind wir in der Ökumene auch weitergegangen.
In dem Sinne, dass wir darauf vertrauen, dass Jesus Christus auch in den Feiern der anderen Konfessionen gegenwärtig ist und wir uns vor dem Hintergrund dann auch wechselseitig zwar nicht einladen, aber respektieren, wenn andere an unseren Feiern dann teilnehmen im Vertrauen auf die Gegenwart Jesu Christi. Wir sind also in die Richtung gegangen, nicht wechselseitiger Einladung, sondern Respekt vor den unterschiedlichen Feierformen.
DOMRADIO.DE: Nach katholischer Auffassung wird aus Brot und Wein tatsächlich Leib und Blut von Jesus Christus, ohne dass sich physisch dabei etwas ändert. Einige protestantische Konfessionen sehen darin aber "nur" ein Erinnerungsmahl, also keine substanzielle Veränderung. Aber warum ist denn das Konsumieren von Brot und Wein für Nichtkatholiken verboten? Was ist denn da so "schlimm" dran?
Sattler: Ich sehe das anders im Blick auf das evangelische Verständnis. Auch die evangelische Konfession lehrt ja die wahre und wirkliche Gegenwart Jesu Christi auch in der Gestalt von Brot und Wein.
Und von daher ist es nicht einfach das Konsumieren von Brot und Wein, nicht nur Zeichen, sondern auch wahre Gegenwart Jesu Christi in den Mahlgaben – soweit sind wir im ökumenischen Gespräch gekommen.
Nun war ja das Problem damals vor zwanzig Jahren nicht die Teilnahme jetzt hier an einem evangelischen Abendmahl, sondern die Teilnahme an einer römisch-katholischen Feier. Als Schwierigkeit kam hinzu, dass es nicht einfach eine römisch-katholische Eucharistiefeier war, sondern eine Interzelebration, also eine gemeinsame Feier, was den Vorsitz des Gottesdienstes angeht. Da sind wir heute auch noch immer in der Ökumene eher zurückhaltend und sagen: Lasst uns doch die Feierformen, die lange in der Tradition entstanden sind, so nehmen, wie sie sind, und keine neuen Formen entwickeln und dann jeweils vertrauen darauf, dass Jesus Christus gegenwärtig ist, auch in der versammelten Gemeinde.
DOMRADIO.DE: Und dennoch bleibt es ja ein Ziel, dass es so etwas wie ein gemeinsames Abendmahl gibt. Glauben Sie, dass das jetzt auch mit Blick auf den Vatikan, der ja zuletzt doch sehr zurückhaltend war wenn Reformvorschläge kamen, in Bezug zum Beispiel auf die Vorschläge des Synodalen Weges, dass da auf absehbarer Weise so etwas wie ein gemeinsames Abendmahl kommen könnte?
Sattler: Wir haben ja neue Wege versucht, jetzt auch nicht zuletzt beim dritten Ökumenischen Kirchentag 2021 in Frankfurt. Das geschah auf der Grundlage von weiteren ökumenischen Studien. Und auch die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen bemüht sich, gerade ist eine Handreichung erschienen.
Darin geht es darum, sich erst mal wechselseitig in dem jeweiligen Verständnis von Eucharistie und Abendmahl kennenzulernen. Und in Frankfurt war es ja nun auch so beim dritten Ökumenischen Kirchentag, dass durchaus etwa die Präsidentin des Kirchentags dann auch im Dom zu Frankfurt an der Eucharistiefeier teilgenommen hat, in Begleitung an der Stelle ja auch des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz.
Das sollte ein Zeichen dafür sein, dass auch die evangelische Seite anerkennt, dass Jesus Christus gegenwärtig wird in der versammelten römisch-katholischen Gemeinde, in der Verkündigung des Wortes Gottes und eben auch im Mahl. Das heißt, wir sind da weitere Schritte gegangen. Das ist durchaus ein Zeichen, das gesetzt wurde auch von der Deutschen Bischofskonferenz. Wir sind weiter mit den zuständigen Stellen in Rom im Gespräch und versuchen auch in der Ökumene, uns besser wechselseitig in unserem jeweiligen Verständnis von Eucharistie und Abendmahl zu verstehen.
DOMRADIO.DE: Mein Eindruck bei dieser neuen Studie ist, dass es nicht um eine wirklich große Annäherung zwischen den Konfessionen im Moment geht, sondern eher um den ersten Schritt, sich einander zu verstehen. Es ist also noch ein langer Weg bis zu einem gemeinsamen Abendmahl?
Sattler: Die Studie "Gemeinsam am Tisch des Herrn" des Ökumenischen Arbeitskreises ist verbunden mit dem Votum, sich wechselseitig kennenzulernen und auch an den Feiern der anderen teilzuhaben.
Es bleibt nicht einfach bei der theologischen Auseinandersetzung. Das war ja genau der Konfliktpunkt und das ist nach wie vor ein Konfliktpunkt, auch mit dem Päpstlichen Rat für die Förderung der Einheit der Christen.
Die theologische Frage ist, ob dieses Votum angemessen begründet ist. Wir stehen dazu als Ökumenischer Arbeitskreis und wünschen uns, dass die Menschen auch durch die Erfahrung der Feiern, durch die Begegnung mit den anderen Menschen mehr erleben als bloß jetzt sich Gedanken zu machen über das Geschehen, sondern auch im inneren Erleben mitvollziehen, dass hier die Gemeinde versammelt ist um Jesus Christus, der spürbar gegenwärtig ist.
Dieses Votum ist schon ein Stein des Anstoßes – das ist uns bewusst. Viele Menschen danken uns für dieses Votum – besonders die Menschen in konfessionsverbindenden Familien.
Das Interview führte Mathias Peter.