Vor 25 Jahren starb Erich Honecker

Mauerbauer und Betonkommunist

Als Jugendfunktionär begann der Saarländer Erich Honecker eine steile Karriere, die ihn zum mächtigsten Mann der DDR machte. Zum Schluss verstand er die Welt nicht mehr. An seinen Überzeugungen hielt er fest bis zuletzt.

Erich Honecker, im Hintergrund Fidel Castro  / © Alexander Pitz (KNA)
Erich Honecker, im Hintergrund Fidel Castro / © Alexander Pitz ( KNA )

"Ich hätte das mit Kohl nicht gemacht." Fassungslos gab sich Erich Honecker, dass man ihn nach der Wende in Untersuchungshaft genommen hatte. Es ging um die Todesschüsse an der deutsch-deutschen Grenze. Wegen der Krebserkrankung des ehemaligen Staats- und Parteichefs der DDR zeichnete sich jedoch bald ab, dass das Verfahren zu Lebzeiten des Angeklagten nicht zum Abschluss kommen würde.

Honecker konnte im Januar 1993 nach Chile ausreisen – wohin bereits seine Frau Margot zu Tochter Sonja und deren chilenischem Ehemann Leo Yanez geflohen war. Drei Jahrzehnte lang hatte Honecker an vorderster Front mit eiserner Faust und vernuschelten Reden die Geschicke der "Deutsch Demokratschen Repblik" Richtung Ruin gelenkt. Am 29. Mai 1994, vor 25 Jahren, starb der Politrentner in Santiago de Chile.

"Bleib mal lieber hier"

Dem Sohn eines Bergmanns, geboren am 25. August 1912 im saarländischen Neunkirchen, waren laut Angaben seines Biographen Norbert F. Pötzl schon früh vor allem zwei Charakterzüge zu eigen: Er habe "Unangenehmes aus seinem Bewusstsein verdrängen und Unvereinbares unter einen Hut bringen" können. Die NS-Zeit verbrachte der im Widerstand aktive Kommunist ab Ende 1935 im Gefängnis – wegen "Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens unter erschwerenden Umständen". Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs stieß Honecker in Berlin zu der aus dem sowjetischen Exil zurückgekehrten "Gruppe Ulbricht" um Walter Ulbricht, bald darauf die prägenden Figur beim Aufbau der DDR.

Auf die Frage Ulbrichts, was er nun vorhabe, antwortete Honecker, er wolle zurück nach Hause, "um meine Eltern zu sehen und mich dann in die Arbeit an der Saar einzureihen". Ulbricht riet davon ab. "Bleib mal lieber hier, das Saargebiet bekommen sowieso die Franzosen." Ob Ulbricht seinen Rat bereute, als Honecker ihn 1971 vom Thron stieß?

Meisterstück Mauer

Bis es soweit war, machte sich der Vorsitzende der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und Funktionär der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) als Organisator und Strippenzieher unentbehrlich. Sein "Meisterstück" lieferte der "gelernte Dachdecker" 1961 mit dem Bau der Berliner Mauer. Nachdem er Ulbricht abgelöst hatte, trieb Honecker mit großem Ehrgeiz ein anderes Bauprogramm voran: "Nicht Luxuswohnungen für wenige, sondern gute Wohnungen für alle."

Honecker, der über die sozialpolitischen Denkmuster der späten Kaiserzeit nie wirklich hinauskam, sah in den Wohneinheiten die Grundbedürfnisse des Volkes erfüllt – neben Arbeit und Brot. Der Niedergang begann allerdings schon in den "goldenen" 70er-Jahren, in denen Honecker anfangs Reformhoffnungen weckte. Die DDR hing am Tropf der Sowjetunion. 1983 dann sicherte ein von Franz Josef Strauß eingefädelter Milliardenkredit aus der Bundesrepublik das wirtschaftliche Überleben des Landes.

Dialog mit den Kirchen

Außenpolitisch suchte Honecker Anerkennung für seinen Staat, im Innern schikanierten Behörden und Staatssicherheit die Menschen. Aus Protest verbrannte sich der evangelischen Pastor Oskar Brüsewitz 1976 selbst. Das Ereignis setzte einen Dialog mit den Kirchen in Gang, der die friedliche Revolution 1989 entscheidend beeinflussen sollte.

Noch 1987 hatte sich der Staatschef bei seinem Besuch in der Bundesrepublik auf Augenhöhe mit dem Westen gewähnt. Im Sommer 1989, als die Bürger bereits in Scharen der DDR den Rücken kehrten, ließ er in Erfurt verlauten: "Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf".

Unterschlupf beim Pastor

Am 7. Oktober 1989 feierte Honecker den 40. Jahrestag der DDR. Das merklich abgekühlte Verhältnis zum "großen Bruder" illustrierten die mahnenden Worte des sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow an die Adresse der greisen Führungselite in Ost-Berlin, verdichtet in dem geflügelten Wort: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben."

Keine zwei Wochen später musste Honecker von allen Ämtern zurücktreten. Ironie der Geschichte: Der Atheist fand kurzzeitig Unterschlupf beim evangelischen Pastor Uwe Holmer. Er habe "für die DDR gelebt", erklärte Honecker 1992 vor Gericht. Dem ehemaligen DDR-Verteidigungsminister Heinz Keßler sagte er: "Heinz, wir wollten zusammen kämpfen, für Gerechtigkeit, Frieden, für unsere Sache, und es tut mir leid, aber ich kann nicht mehr!"


Erich Honecker wird 1987 von Bundeskanzler Helmut Kohl im Foyer des Kanzleramtes begrüßt / © N.N. (dpa)
Erich Honecker wird 1987 von Bundeskanzler Helmut Kohl im Foyer des Kanzleramtes begrüßt / © N.N. ( dpa )

Margot Honecker und Erich Honecker in Berlin / © N.N. (dpa)
Margot Honecker und Erich Honecker in Berlin / © N.N. ( dpa )

Der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow und Erich Honecker beim 40-jährigen Staatsjubiläum der DDR 1989 / © Wolfgang Kumm (dpa)
Der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow und Erich Honecker beim 40-jährigen Staatsjubiläum der DDR 1989 / © Wolfgang Kumm ( dpa )
Quelle:
KNA