Vor 250 Jahren wurde der Dichter Novalis geboren

Die Welt als Traum

Novalis gilt als wichtigster Vertreter der frühen Romantik. Die "blaue Blume" als Symbol der Epoche stammt aus seiner Feder. Vor 250 Jahren wurde der vielseitige Dichter in Oberwiederstedt im heutigen Sachsen-Anhalt geboren.

Autor/in:
Silke Uertz
Friedrich von Hardenberg (Novalis) / © Nicku (shutterstock)
Friedrich von Hardenberg (Novalis) / © Nicku ( shutterstock )

Kurzes Leben, schmales Werk, große Wirkung: Mit 29 Jahren starb Novalis und hinterließ nur wenige Texte - die aber später viele Dichter beeinflussten. Aus "Heinrich von Ofterdingen", seiner berühmtesten Schrift, stammt die "blaue Blume". Sie steht als Symbol für die Epoche der Romantik, die sich mit ihrem Hang zu Mystik und Mittelalter gegenüber der Aufklärung und der Klassik abgrenzte. Vor 250 Jahren, am 2. Mai 1772, wurde der Jurist und Bergbau-Experte als Georg Philipp Friedrich von Hardenberg in Oberwiederstedt im heutigen Sachsen-Anhalt geboren.

Außenansicht des denkmalgeschützten Schloss Oberwiederstedt. / © Heiko Rebsch (dpa)
Außenansicht des denkmalgeschützten Schloss Oberwiederstedt. / © Heiko Rebsch ( dpa )

Ein Leben in der Provinz

Als Sohn eines Salinendirektors besuchte er das Gymnasium in Eisleben. Ab 1790 studierte er Jura in Leipzig, Wittenberg und Jena. Er lernte Geistesgrößen der Zeit kennen, darunter Johann Wolfgang von Goethe, Jean Paul und Johann Gottfried Herder, und schloss Freundschaft mit Ludwig Tieck, Friedrich Schelling sowie August und Friedrich Schlegel.

Ab 1794 arbeitete er beim Kreisamt im nordthüringischen Tennstedt. Privat befasste er sich mit Philosophie wie der des Idealisten Johann Gottlieb Fichte, begann zu schreiben und fand vorübergehend sein Glück in der Verlobung mit der erst zwölfjährigen Sophie von Kühn, die bereits mit 15 starb. 1796 ging Novalis an die Lokalsalinendirektion in Weißenfels an der Saale und trat ein Jahr später mit einem Studium an der Bergakademie in Freiberg tiefer in die Fußstapfen seines Vaters.

Nach einem erneuten Intermezzo im Bergbau wurde er 1800 Beamtenanwärter für den Thüringischen Kreis. Entgegen der Mode der Zeit reiste der kränkliche junge Mann nie in fremde Länder oder Metropolen, sondern lebte stets in seiner kleinen Welt zwischen Harz und Erzgebirge. Der Provinz blieb er bis zu seinem frühen Ende treu: In Weißenfels starb er am 25. März 1801.

Stilmittel der offenen Form

Zeitlebens erfüllte den Dichter das Gefühl einer Weltflucht; den Tod bezeichnete er in seinen "Hymnen an die Nacht" als "das romantisierende Prinzip des Lebens". Die frei von Metrum und Reim gestalteten Gedichte erschienen 1800 in "Athenäum", der Zeitschrift der Jenaer Frühromantiker, und bilden den Höhepunkt der Lyrik Novalis'.

Den Namen - nach der latinisierten Form des Familienzweigs "von Roden" - verwendete er erstmals 1798 bei den "Blüthenstaub"-Fragmenten. Ihre offene Form war ein romantisches Stilmittel, um die Unendlichkeit des Stoffs darzustellen. Inhaltlich behandelte er Geisteswissenschaftliches und stellte die Idee einer Religion vor, in der es keinen direkten Kontakt zum Göttlichen gibt, sondern nur über einen frei wählbaren Mittler.

Novalis und die Religion

Für ein Mehr an Religion plädierte Novalis 1799 in der Rede "Die Christenheit oder Europa". Darin stellte er den geistigen Universalismus des Mittelalters einem durch Reformation und Revolution gespaltenen Abendland gegenüber. In Ablehnung der Aufklärung und in Verklärung des Mittelalters entwarf er die Utopie einer neuen, spirituellen Zeit in Einheit aller Gegensätze - eine Harmonie zwischen Mensch und Natur.

Dabei kann die Dichtkunst helfen: Den Poeten bezeichnet er mal als "transzendentalen Arzt", mal als "Priester". Im Romanfragment "Heinrich von Ofterdingen" von 1800 entdeckt der Protagonist, ein Minnesänger, das Symbol der Romantik schlechthin: die "blaue Blume". Sie spiegelt Sehnsucht und Unendlichkeit, ihr Finder überschreitet die Grenze des Realen: "Die Welt wird Traum, der Traum wird Welt."

Rezeption Novalis' und seiner Werke

An dieser mystischen Sicht schieden sich die Geister. Heine spottete, Novalis sehe "überall nur Wunder", für Hegel blieb Novalis' Subjektivität Sehnsucht, die "nicht zum Substantiellen" kommt. Novalis inspirierte Denker wie den Anthroposophen Rudolf Steiner und Schriftsteller wie Stefan George. Dessen "schwarze Blume" aus dem Gedichtzyklus "Algabal" (1892) kündet indes vom Ende einer heilen Welt.

An die glaubten linke Germanistik-Studierende der 68-Bewegung ohnehin nicht mehr, sie forderten: "Schlagt die Germanistik tot, macht die blaue Blume rot!" Der Philosoph und Romantik-Kenner Walter Benjamin stellte Mitte der 1920er Jahre fest: "Es träumt sich nicht mehr recht von der blauen Blume. Wer als Heinrich von Ofterdingen erwacht, muss verschlafen haben."

Quelle:
KNA