Der Flughafen von Bari wurde "Karol Wojtyla" getauft, in Rom speisen Arme in der Caritas-Mensa unter seinem Patronat, und Bestattungsunternehmen in Kampanien, Sizilien und den Abruzzen werben mit dem Namen Johannes Paul II. um Vertrauen. «Santo subito» - der Ruf, dass der gütige Papst einen besonders guten Draht zum Himmel und zu den Menschen habe, ist in Italien ungebrochen.
Als vor 30 Jahren, am 16. Oktober 1978, Karol Wojtyla als neues Kirchenoberhaupt ausgerufen wurde, dachten manche auf dem Petersplatz an einen Afrikaner; ein italienischer Prälat wollte den Namen «Bottiglia» - Flasche - verstanden haben. 30 Jahre später muss man niemandem mehr erklären, wer der Papst aus Polen ist. Im Gegenteil: Manchem fällt es schwer, sich die Zeit vor ihm und ohne ihn vorzustellen.
Die notorisch zugeknöpften Andenkenhändler um den Petersplatz heben ratlos-abwehrend die Hände, wenn man sie nach der Ära vor Johannes Paul II. fragt. Die meisten, die heute hinterm Verkaufstresen stehen, sind schon zwischen den Postkarten, Zinntellern und Sammeltassen mit dem gütigen, etwas knollennasigen Konterfei Wojtylas groß geworden. Einer der fliegenden Rosenkranzhändler, der auf rund 40 Berufsjahre in der Halblegalität zurückblickt und anonym bleiben will, sagt über Johannes Paul II. nur: «Er hat einen guten Job gemacht.» Soll heißen: Er hat den Souvenirkrämern reichen Umsatz beschert.
Johannes Paul II. hat «unter Gesichtspunkten des Marketing» neue Maßstäbe gesetzt, sagt Maria Immacolata Macioti, Religionssoziologin an der römischen Sapienza-Universität. Wie kein Kirchenoberhaupt vor ihm unternahm er Pastoralreisen und suchte die direkte Begegnung mit den Menschen. Wohl hatten die Römer auch etwa für den Weltkriegs-Papst Pius XII. tiefe Verehrung. Aber dieser, so die Professorin, blieb «abgehoben vom Volk, mit dem Gesicht eines leidenden Asketen».
Das Phänomen Karol Wojtyla erklärt sich Macioti mit seiner «Gabe zur unmittelbaren Kommunikation": Ein vergleichsweise junger Kardinal aus Polen, der erste Nichtitaliener seit 450 Jahren auf dem Stuhl Petri, eroberte mit seiner allürefreien Art die Herzen der Römer. «Er ging unters Volk, berührte Menschen, umarmte Kinder.» Johannes Paul II. wurde zum Werbeträger seiner Kirche, mit einer Faszination weit über den Katholizismus hinaus.
Allein die Generalaudienzen: Eingeführt wurden die wöchentlichen Pilgertreffen schon unter Paul VI., aber mit Johannes Paul II. wurden sie - auch dank eines allgemein wachsenden Tourismus - zum Massenereignis. Einen Grund für die Popularität sieht Reinhard Heldt aus der vatikanischen Protokollabteilung in der jugendlichen Art des
Papstes: «Er war sehr unkompliziert im persönlichen Umgang, schlagfertig, humorvoll.» Auch als er schon von seiner Parkinson-Erkrankung schwer gezeichnet war, behielt er seine offensive Haltung - und erreichte so unzählige Leidensgenossen.
Heldt weiß, wie viele Kranke Briefe an den Vatikan schickten, weil sie sich durch den Lebensmut des Wojtyla-Papstes gestärkt fühlten.
Vor allem aber für Polen bedeutete der 16. Oktober 1978 eine Wende vor der Wende. Dank des Landsmanns auf dem Stuhl Petri durften polnische Katholiken lange vor dem Fall der Mauer als Pilger ausreisen. «Italien war sehr aufnahmebereit», erinnert sich Pawel Ptasznik, heute Rektor der polnischen Nationalkirche San Stanislao in Rom. In den Anfangsjahren der Gewerkschaftsbewegung «Solidarnosc» brachen wahre Ströme aus dem Osten auf, und längst nicht alle nahmen das Rückfahrtticket in Anspruch. Zehntausende nutzten ihre Chance zum Sprung in die freie Welt, nach Kanada, Australien, in die USA - zum Leidwesen von Johannes Paul II., dem dieser Exodus zu den Fleischtöpfen des Kapitalismus nicht gefiel. Für 30.000 Polen, so schätzt Ptasznik, wurden Rom und Latium zur neuen Heimat. Kein Wunder, dass auch das Gäste- und Tagungshaus der polnischen Kirche in Rom den Namen «Jana Pawla II.» trägt.