Vor 30 Jahren siegten die Sozialisten in Frankreich

Zwei Messen für Mitterrand

Am 10. Mai 1981, vor 30 Jahren, erreichten die französischen Sozialisten bei den Präsidentschaftswahlen den Sieg. Auf den Straßen von Paris feierten die Anhänger den neuen Präsidenten Francois Mitterrand: Der Katholik ging, so wurde jetzt bekannt, frisch gewählt nach Taizé.

Autor/in:
Christoph Lennert
 (DR)

Als "La force tranquille", die ruhige Kraft, hatte sich Mitterrand mit großformatigen Plakaten im Wahlkampf präsentiert. Sie zeigten eine fast bukolische Idylle. Mitterrands Kopf mit stoischem, weltmännischem Gesichtsausdruck in der Mitte. Am Bildrand rechts unten ein in die Unschärfe gerücktes französisches Dorf; prominent platziert die vermutlich romanische Kirche.



Mitterrands Sieg bedeutete für das Land eine ähnliche Aufbruchs-Euphorie wie Willy Brandts Wahl zum Bundeskanzler 1969 in Deutschland oder der Wahlsieg von Barack Obama 2008 in den USA. Zum 30. Jahrestag erschienen nun zahlreiche neue Werke, um das Phänomen der "Sphinx", wie Mitterrand schon zu Lebzeiten bezeichnet wurde, näher zu beleuchten. Die katholische Wochenzeitung "La Vie" titelte: "Mitterrand - Der Präsident, der Papst werden wollte".



Er wollte König oder Papst werden

Tatsächlich wuchs der 1916 geborene Mitterrand im Südwesten Frankreichs in zutiefst katholischem Umfeld auf. Als Kind soll er erklärt haben, er wolle König oder Papst werden. Als 14-Jähriger dachte er an einen Eintritt ins Priesterseminar. Eine intensive Glaubenssuche, gepaart mit Misstrauen gegenüber der Institution Kirche, verband auch noch den den zwei siebenjährige Amtszeiten regierenden Präsidenten mit dem Katholizismus.



Als Nicolas Sarkozy 2007 zum Präsidenten gewählt wurde, glaubten viele zu wissen, er werde sich in einem Kloster auf die Amtsübernahme vorbereiten. Die Auszeit verbrachte er dann doch auf der Jacht eines Unternehmerfreundes. Mitterrand, so wurde jetzt bekannt, ging frisch gewählt dagegen tatsächlich nach Taizé. Bei der ökumenischen Gemeinschaft in Burgund tauchte er unangemeldet auf, ging in die Kirche, sammelte sich dort. In den Folgejahren traf er regelmäßig mit dem Gründer der Gemeinschaft, Frere Roger Schutz (1915-2005), zusammen. "Er tut mir gut", begründete Mitterrand die Zusammenkünfte.



Einen der schärfsten Streits mit der Kirche gab es 1984, als die Sozialisten Versuche unternahmen, das katholische Schulwesen zu verstaatlichen. Mitterrand förderte den von seiner Partei massiv vorangetriebenen Reformplan - laut jetzt veröffentlichten Aussagen - zumindest nicht. "Wenn in meiner Amtszeit auch nur eine einzige katholische Schule schließt, dann ist das nicht mein Werk", soll er nach Angaben eines katholischen Bischofs gesagt haben. Zwei Großdemonstrationen im Frühjahr 1984 versammelten Hunderttausende in Versailles und Paris. Zum Nationalfeiertag am 14. Juli 1984 verkündete Mitterrand im Fernsehen, das Projekt werde zurückgezogen.



Mit dem Pariser Kardinal Jean-Marie Lustiger verstand sich der Präsident ausgezeichnet. Die beiden sprachen über Philosophie, Bibel und Literatur, den Sinn des Lebens. Das Alltagsgeschäft, so heißt es, blieb weitgehend ausgespart.



"Eine Messe kann gelesen werden"

Schon wenige Monate nach seinem Amtsantritt erfuhr Mitterrand von seinem Prostatakrebsleiden. Die Ärzte geben ihm noch ein bis zwei Jahre. Es sollten fast 15 werden. Die Öffentlichkeit wurde über den Gesundheitszustand des Präsidenten belogen. Doch mit Vertrauten diskutierte er immer wieder über Krankheit und Sterben. Er glaubte daran, dass der Tod nur ein Übergang sei. In seiner letzten Neujahrsansprache als Präsident 1995 sagte er, "Ich glaube an die Kräfte des Geistes, und ich werde euch nie verlassen." Viele in der französischen Linken waren schockiert.



"Eine Messe kann gelesen werden", verfügte Mitterrand in seinen testamentarischen Bestimmungen zu den Beerdigungsmodalitäten. Es wurden dann sogar zwei, nachdem Mitterrand am 8. Januar 1996 starb. Eine in der Pariser Kathedrale Notre-Dame, wo Bundeskanzler Helmut Kohl in Tränen ausbrach, als Kardinal Lustiger seine Predigt vortrug, und eine zweite, im kleinen Kreis, bei der Beisetzung in Mitterrands Geburtsort Jarnac.