Vor 40 Jahren: Attentat auf Rudi Dutschke

Vom Studenten zum Helden

Es ist Gründonnerstag, der 11. April 1968: Vor dem Büro des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes in West-Berlin gibt Josef Bachmann, ein junger NPD-Anhänger, drei Schüsse auf den Studentenführer Rudi Dutschke ab, der schwer verletzt überlebt - der Auslöser der härtesten innenpolitischen Unruhen seit Bestehen der Bundesrepublik.

 (DR)

Der an der Freien Universität studierende Dutschke, der in der DDR als Gymnasiast den Wehrdienst verweigerte und dann seiner brandenburgischen Heimatstadt Luckenwalde den Rücken kehrte, war im Westen zur zentralen Figur der damaligen Studentenproteste aufgestiegen. Seit 1967 war er das maßgebliche Sprachrohr der 68er-Bewegung. Sie repräsentierte jene Vertreter der herangewachsenen Kriegs- und Nachkriegsgeneration, die als Minderheit, aber unübersehbar und lautstark gegen die verkrusteten gesellschaftlichen Verhältnisse der Bonner Republik aufbegehrte, zu "außerparlamentarischer Opposition" und zum "Marsch durch die Institutionen" aufrief.

Im Fokus der Studentenrevolte stand vor allem der Umgang der Väter mit der NS-Vergangenheit. An den Hochschulen hatten viele politisch belastete Professoren ihre Karriere nach 1945 fast nahtlos fortsetzen können. Überall in Politik und Gesellschaft bis hin zur Bundeswehr, so der Jenaer Zeithistoriker Norbert Frei in seinem jüngsten Werk "1968", seien "mehr oder weniger skandalöse personelle Kontinuitäten" offenbar geworden. Zudem war 1965 in Ost-Berlin "ein ganzes 'Braunbuch' voller Namen einflussreicher Bundesbürger mit NS-Vergangenheit" veröffentlicht worden, unterstreicht Frei: "Die studentische Jugend las das 'Who was who im Dritten Reich' mit fassungsloser Empörung."

Dutschke als Volksfeind Nr. 1
Quelle des Protestes war schließlich der eskalierende Vietnam-Krieg der USA. Kurz vor dem Attentat, Mitte Februar 1968, hatte der wortgewaltige Dutschke an der Technischen Universität West-Berlins einen Internationalen Vietnam-Kongress organisiert, zu dem sich 5000 Studenten versammelten, 12 000 an einer Protestdemonstration teilnahmen.

In den meisten Medien, vor allem den Blättern des Springer-Konzerns, wurde Dutschke als Volksfeind Nr. 1, als Anti-Amerikaner und als kommunistischer Rädelsführer aus dem Osten abgestempelt. Er wurde so zur Zielscheibe des Hasses von Teilen der Bevölkerung, schließlich zum Ziel der drei Revolverkugeln, die bürgerkriegsähnliche Straßenschlachten auslösten - und 1979 den vorzeitigen Tod Dutschkes bewirkten.

"Es ging um nichts Geringeres als um eine bessere Welt"
Während der folgenden "Osterunruhen" gingen in 27 Städten mehrere 100 000 Menschen auf die Straße. Gustav Heinemann (SPD), Justizminister in der Großen Koalition, rief beide Seiten zur Besonnenheit auf und appellierte an die Älteren, darüber nachzudenken, "was wir selber in der Vergangenheit dazu beigetragen haben könnten, dass der Antikommunismus sich bis zum Mordanschlag steigerte und dass Demonstranten sich in Gewalttaten der Verwüstung bis zur Brandstiftung verloren haben".

"Was '68' war, ist seit jeher umstritten. Was davon blieb, ist Gegenstand nicht endender Debatten", schreibt Frei, auf die nach 40 Jahren wieder aufgeflammte und weiter konträre Debatte um die 68er anspielend. So zieht heute der Historiker Götz Aly gar Parallelen zwischen 1933 und 1968, zwischen den marschierenden Nazis und den demonstrierenden Studenten. Sein Kollege Frei dagegen sieht die weltweite 68er-Bewegung so: "Es ging um nichts Geringeres als um eine bessere Welt. Es ging um die Freiheit der Unterdrückten, um die gesellschaftliche Teilhabe aller, um ein Mehr an Demokratie."

Von ddp-Korrespondent Karl-Heinz Gräfe