Vor 50 Jahren ging´s den Kardinälen an den Kragen

Mit dem Geist von Demut und Armut

Keine Seide mehr. Soutane und Mozetta bitte nur noch aus Wolle. Die rot eingefassten Schuhe: bitte nicht mehr verwenden. Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ging es der Pracht des Kardinalsstandes buchstäblich an den Kragen.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Kardinal Döpfner vor "Kleiderreform" (KNA)
Kardinal Döpfner vor "Kleiderreform" / ( KNA )

Keine Seide mehr. Soutane, Mantelletta und Mozetta bitte nur noch aus Wolle. Der schwarze Kardinalshut mit den rotgoldenen Kordeln: abgeschafft. Die rot eingefassten Schuhe: bitte nicht mehr verwenden.

Neue Kleidervorschriften vor 50 Jahren

Was Kardinaldekan Eugene Tisserant da vor 50 Jahren, am 2. Februar 1965, per Vatikanpost zustellen ließ, dürfte vielen Mitgliedern des Heiligen Kollegiums, auch den 27 neu ernannten, nicht wirklich geschmeckt haben. Und das war erst der Anfang. Noch einige ähnliche Kleidervorschriften mussten sie in den Folgejahren über sich ergehen lassen. Im Zuge der Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) ging es der Pracht des Kardinalsstandes buchstäblich an den Kragen.

Es war ja im Prinzip schon klar: In vestimentis non est sapientia mentis - die Weisheit des Geistes steckt nicht in den Klamotten, die jemand trägt. Und doch: Die Prunkgewänder der päpstlichen Senatoren spiegelten nach alter Auffassung die jahrhundertealte Tradition der Kirche wider - und damit auch ihren historischen Auftrag. Das Konzil wies einen neuen Weg, oder es entwickelte zumindest ein neues Verständnis von Kirche: das Volk Gottes auf seinem Pilgerweg durch die Zeit. Und auf einem so langen Weg galt es nun auch einmal, gelegentlich Ballast abzuwerfen.

Paul VI. (1963-1978), der seine Papstkrone, die Tiara, ablegte und sie zum Verkauf zu Gunsten der Armen herschenkte, legte auch bei seiner Geistlichkeit Wert auf eine "edle Einfachheit" und eine "Authentizität des Zeichens". In einem Schreiben des vatikanischen Staatssekretariates zur Kleiderordnung in Zeiten der 68er liest sich das so: "Die moderne Mentalität (...) verlangt, dass mögliche Extreme (...) vermieden werden, und möchte, dass Korrektheit und Anstand im Gleichklang seien mit Einfachheit, Zweckmäßigkeit und dem Geist von Demut und Armut."

Man mag mit einigem Recht beklagen, wie viel von echter Schönheit und von historischem wie materiellem Wert seit dieser römischen Kulturrevolution den Weg der zeitlichen Dinge gegangen ist. Nun also Baumwolle in kurzlebigen Designs statt Brokat, Seide und kostbarer Stickerei.

Legendäre Kalbsledertreter von JPII

Das Pontifikat des Polen Johannes Paul II. (1978-2005) stand noch ganz im Zeichen dieser neuen Einfachheit. Seine braunen Kalbsledertreter wurden legendär. Sein Nachfolger Benedikt XVI. (2005-2013) ging freilich einen umgekehrten Weg. Eine seiner zentralen Botschaften - als theologisch mitprägender Teilnehmer des Konzils - war die sogenannte Hermeneutik der Kontinuität: Das Zweite Vatikanum habe keineswegs mit kirchlicher Tradition gebrochen, sondern stehe in einer Linie mit der Verkündigung durch die Jahrhunderte.

In diesem Sinne bediente sich Benedikt XVI. - der als Kurienkardinal im Alltag stets höchst bescheiden gekleidet gewesen war - als Papst nun virtuos aus dem Setzkasten traditioneller Accessoires. Die Insignien seiner Vorgänger kombinierte er oft kirchenhistorisch subtil, wie um zu zeigen: Die Kirche verändert sich, aber sie bleibt immer sie selbst. Problematisch nur, dass viele an der Kurie, einem Hofstaat gleich, dem modischen Vorbild ihres Souveräns folgten. Quasi durch die Hintertür hielten Quast und Spitzenhäubchen wieder Einzug in den Vatikan.

Papst Franziskus über verbeulte Kirche

Der Outsider Papst Franziskus hat nun einen neuen Anlauf genommen. Nicht nur in seiner vorweihnachtlichen Philippika über Krankheiten in der Kurie mahnt er Schlichtheit und authentisches Priestertum an. Er predigt über eine verbeulte Kirche im Einsatz für die Bedürftigen. Und er mahnte sogar die 20 neu ernannten Kardinäle, die er in zwei Wochen in sein Beratergremium aufnimmt, zu einer bescheidenen Feier - wie es dem dienenden Charakter ihrer neuen Würde entspreche. Noch weniger feiern freilich werden wohl an diesem Tag die römischen Edelschneider im Schatten der Kolonnaden Berninis.


Quelle:
KNA