Vor 50 Jahren wurde die Potsdamer Garnisonkirche abgerissen

"Es war beeindruckend, wie dieser Turm widerstand"

Erst die Ruine des Kirchenschiffs, dann der Turm: Vor 50 Jahren wurden in Potsdam die Überreste der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Garnisonkirche gesprengt. Die Gemeinde erhielt damals für den Verlust eine Entschädigung. Nun wird erneut gebaut.

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Von Yvonne Jennerjahn
Standort der ehemaligen Garnisonskirche in Potsdam / © Ralf Hirschberger (dpa)
Standort der ehemaligen Garnisonskirche in Potsdam / © Ralf Hirschberger ( dpa )

Am Sonntagvormittag zur Gottesdienstzeit kam das Ende: Nach mehreren vorangegangenen Sprengungen verschiedener Teile der Ruine der Potsdamer Garnisonkirche fiel am 23. Juni 1968 der Rest des Turms. Proteste aus Kirche und Stadt konnten den Abriss nicht verhindern. Das Bauwerk, das als Symbol des preußischen Militarismus und des NS-Regimes galt und der modernen DDR-Stadtplanung im Weg war, fiel in einer großen Staubwolke in sich zusammen. Im Stadtzentrum blieb ein riesiger Schuttberg zurück.

Als "Vorhaben mit hohem Schwierigkeitsgrad" beschreiben die Experten des VEB "Bohr- und Sprengtechnik Berlin" ihr Werk später in einem DDR-Dokumentarfilm, präzise berechnet und vorbereitet. Rund 10.000 Kubikmeter massives Mauerwerk auf einer Grundfläche von sechs mal acht Metern galt es zu beseitigen. Historische Bauwerke in unmittelbarer Umgebung mussten vor möglichen Schäden geschützt und eine Hochdruckgasleitung hinter der Kirchenruine gesichert werden.

Die Mauern leisten Widerstand

Metertiefe Bohrlöcher wurden für die Sprengladungen ins Mauerwerk getrieben. Und dann gab es doch eine Überraschung: Bei der Sprengung der ersten Turmhälfte hätten Teile des Bauwerks standgehalten, resümieren die Sprengexperten. Das hätten sie nicht erwartet. "Es war beeindruckend, wie dieser Turm widerstand", erinnert sich später Brandenburgs erster Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD), seinerzeit als Kirchenjurist für Bauwerk und Gemeinde zuständig: "Ich habe das miterlebt und miterlitten."

Einige Zeit zuvor war noch im Gespräch, die Turmruine der bei einem alliierten Luftangriff im April 1945 zerstörten Barockkirche als Kriegsmahnmal zu erhalten. "Wir bekamen Baukapazitäten und Geld, auch Geld vom Staat", so hat Stolpe die Planungen beschrieben. Doch dann wurde anders entschieden, am historischen Standort der Garnisonkirche sollte ein Rechenzentrum errichtet werden. Ab Ende 1966 waren die Überreste der Kirche wegen Baufälligkeit gesperrt. Ende April 1968 stimmten auch rund zwei Drittel der Potsdamer Stadtverordneten dem Abriss der Kirchenruine zu. Einer von ihnen plädierte in einer Rede noch einmal eindringlich für den Turmerhalt und die Mahnmal-Idee. Vier stimmten schließlich gegen die Sprengung.

Nicht daran geglaubt

"Ich habe bis zum Schluss nicht geglaubt, dass die Ernst machen", erzählt Stolpe später. Doch am 23. Juni ist alles vorbei. "Saubere Arbeit" attestiert der Dokumentarfilm den Sprengexperten: "Vom preußischen Putz der Fassade blieb nicht viel." Dass es ihnen das massive Bauwerk aus rund 2,5 Millionen Ziegelsteinen nicht leicht gemacht hat, führen sie auf die solide Arbeit der Bauleute im 18. Jahrhundert zurück.

Die evangelische Heilig-Kreuz-Gemeinde, Nachfolgerin der einstigen Zivilgemeinde der Potsdamer Garnisonkirche, erhielt eine Entschädigung von rund 600.000 D-Mark für Grundstück und Ruine und weitere Mittel für den Umbau ihres Gemeindezentrums. "Die Entschädigung wird mit Wirkung vom 3. Mai 1968 mit vier Prozent verzinst", heißt es im Feststellungsbescheid des Rates der Stadt Potsdam zur Enteignung des Grundstücks.

Wunsch nach Wiedergutmachung

Der Wiederaufbau wäre aus Stolpes Sicht ein Zeichen der "Wiedergutmachung für einen Willkürakt gegen den Willen der Bevölkerung". Vor zehn Jahren wurde am 40. Jahrestag der Sprengung eine kirchliche Baustiftung dafür gegründet. Die Stadt Potsdam hat das Grundstück beigesteuert, das nach dem Ende der DDR zunächst von der Treuhand an eine Versicherung verkauft worden war und deshalb zurückgekauft werden musste.

50 Jahre nach der Sprengung des Turms und dem Abriss der Kirchenruine steht trotz langjähriger Bemühungen zwar noch immer keine neue Kirche am historischen Standort. Teils erbitterter Streit über die Geschichte der Garnisonkirche, über die aktuelle Potsdamer Stadtplanung und die künftige Nutzung des Turms haben das Vorhaben gelähmt. Aber die Bauarbeiten für einen neuen Kirchturm haben mit umfangreicher Unterstützung des Bundes inzwischen begonnen, die Vorbereitungen für das Fundament sind abgeschlossen.

Am Jahrestag am Samstag wird mit einem Gottesdienst mit dem Kuratoriumsvorsitzenden der Garnisonkirchenstiftung, dem ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Berliner Altbischof Wolfgang Huber, an die Sprengung vom 23. Juni
1968 erinnert.


Quelle:
epd