Am Ende saß der Guerillero in der Falle. September 1967: Die bolivianische Armee zieht die Schlinge um Che Guevara und seine letzten Gefolgsleute immer enger. Elf Tage lang hält sich die Rebellengruppe in der Yuro-Schlucht versteckt, etwa 300 Kilometer südwestlich von Santa Cruz. Dann, am frühen Nachmittag des 8. Oktober, nehmen Soldaten eine abgekämpfte Gestalt zusammen mit einem Gefährten fest. Che nennt seinen Namen. Der Gefangene wird in das Schulhaus des nahegelegenen Dorfes La Higuera verbracht.
Über die nun folgenden letzten Stunden im Leben des Revolutionärs sind unterschiedliche Versionen in Umlauf. Der Befehl, den Che zu töten, kommt offenbar von Boliviens Präsident Rene Barrientes Ortuno höchstpersönlich. Am 9. Oktober 1967, vor 50 Jahren, erschießt Unteroffizier Mario Teran den 39-Jährigen, der mit seinem bewaffneten Kampf die Völker der Welt befreien wollte. Aus Angst, dass sich Guevaras Grab zur Wallfahrtsstätte entwickelt, wird der Leichnam verscharrt.
"Christus mit der Knarre"
Zur Ikone, zum Mythos steigt Che trotzdem auf. 68er-Studenten führen sein Bild auf Demos mit, Liedermacher Wolf Biermann besingt den "Comandante" als "Christus mit der Knarre". Auf Kuba - und nicht nur dort - verehren sie ihn noch heute wie einen Heiligen. Als Papst Franziskus 2015 die Karibikinsel besucht, ist Guevaras Konterfei allgegenwärtig.
Der Kult auf Kuba hat damit zu tun, dass der aus Argentinien stammende Rebellenführer hier seine größten Erfolge feierte. Zusammen mit Fidel Castro und dessen Bruder Raul bringt Che 1958/59 das Regime von Fulgencio Batista zu Fall. In der entscheidenden Schlacht gelingt es ihm mit 400 Guerilleros, die von 4.000 Regierungssoldaten gehaltene Stadt Santa Clara im Zentrum des Landes einzunehmen. Gegen Gegner - auch in den eigenen Reihen - geht er kompromisslos vor. Seine meist jugendlichen Gefolgsleute dagegen überzeugt er durch sein bescheidenes und anspruchloses Auftreten.
"Es gibt kein Leben außerhalb der Revolution"
Er scheint mit gerade mal 31 Jahren auf dem Zenit seiner Karriere. Als Leiter der Industrieabteilung im Nationalen Institut für die Agrarreform und Präsident der Nationalbank wird er zum Schrittmacher der Revolution auf Kuba - während Fidel Castro als Ministerpräsident die politischen Strippen zieht. Doch Guevara bleibt Guerillero, legt auch als Minister seinen olivgrünen Militärdress nie ab. Getreu seinem Motto "Es gibt kein Leben außerhalb der Revolution" gönnt er sich kaum Pausen, höchstens für eine Partie Schach; ein Spiel, das er seit seiner Jugend liebt.
Aber die Mühlen der Politik - die Kubakrise bringt die Welt an den Rand eines Atomkrieges - drohen den Charismatiker aufzureiben. Er entzieht sich 1965, um "die Flamme der Revolution" in die Welt zu tragen. "Andere Gebiete benötigen den Beitrag meiner bescheidenen Bemühungen", lässt er Fidel Castro, der die Aktion deckt, in seinem Abschiedsbrief wissen. Guevara zieht es zunächst in den Kongo, dann nach Bolivien.
Die Verständigung mit den Einheimischen fällt schwer
Doch Ideal und Wirklichkeit klaffen auseinander. Guevara und seine Mitstreiter kennen sich weder in Afrika noch in den Anden wirklich aus. Sein Engagement im Kongo leitet Che mit den Worten ein: "Dies ist die Geschichte eines Scheiterns." Sein Tagebuch ist zugleich ein Dokument der Ignoranz: Die Verständigung mit den Einheimischen fällt schwer, eine aus seiner Sicht laxe Arbeitsmoral macht den Comandante zornig. Krankheiten fordern ihren Tribut. "Ich würde lieber eine Frauenarmee ausbilden als solche Typen wie Sie", lässt er einen Übersetzer eine "Standpauke" in Kisuaheli übertragen.
Ähnlich präsentiert sich die Lage ab 1966 in Bolivien. Ches Truppe bleibt isoliert; die Landbevölkerung verhält sich abwartend bis feindselig, erst recht, als Guevaras Genossen anfangen, einzelne Dörfer zu überfallen. Der emeritierte Weihbischof von Trier, Leo Schwarz, damals als Priester in der Gegend tätig, gehört zu den letzten, die zu Lebzeiten Ches mit der Guerilla verhandeln. Einen Angriff kann er abwenden - und lernt zugleich, wie schwierig es ist, mit Menschen zu diskutieren, die vielleicht gute Vorsätze, sich aber im Gestrüpp ihrer vermeintlichen Wahrheiten verstrickt haben.