Johann Tetzel hat, was seinen Nachruhm angeht, richtig Pech gehabt. Der sächsische Dominikaner ist in die Geschichte als marktschreierischer, dumm-dreister Ablasskrämer eingegangen, der mit wilden Versprechungen den Leuten das Geld aus der Tasche gezogen hat. Daneben wirkte schon zu Lebzeiten die Lichtgestalt des Reformators Martin Luther umso heller. Seit seinem Tod am 11. August 1519, vor 500 Jahren, ranken sich derart viele Mythen und Vorurteile um Tetzel, dass die Person dahinter kaum zu erkennen ist.
Wann er genau geboren wurde, ist nicht bekannt. Es muss um 1465 im sächsischen Pirna gewesen sein. Wie er aussah? Auch das weiß man nicht. Es gab keine Veranlassung, ihn zu malen, denn dafür war er nicht wichtig genug, meint Enno Bünz, Professor für sächsische Landesgeschichte an der Universität Leipzig. Das bekannte Bild mit einem fetten Dominikaner mit Stirnlocke hatte mit der Wirklichkeit nichts zu tun.
Nicht der Erfinder
Und Erfinder des bekannten Spruchs vom so wirksamen Geld im Kasten war er auch nicht. Schon seit den späten 1470er Jahren bewarben die Ablassprediger damit den Ablass für die Verstorbenen. Dennoch: Peter Wiegand vom sächsischen Hauptstaatsarchiv in Dresden charakterisiert Tetzel als eine Ausnahmeerscheinung unter den vielen Ablasskommissaren, der sich durch seine ebenso effiziente wie profitorientierte Art der Gnadenverkündigung auszeichnete.
Schließlich verfügte der Dominikaner über eine lange Erfahrung in dem Metier, eine profunde wissenschaftliche Ausbildung, ein stabiles Netzwerk an Kontakten und ein hohes Ansehen zu einer Zeit, als die Aufgabe eines Ablasskommissars noch mit einem hohen sozialen Prestige verbunden war.
Ein Bauernopfer
Als Johann Tetzel 1505 in den Dienst des Deutschen Ordens trat, der damals einen Kreuzzugsablass im Reich verkündigte, fand er sein eigentliches Betätigungsfeld. Er war als Ablasskommissar ein voller Erfolg. Als Papst Leo X. den Ablass für den Neubau der römischen Peterskirche in ganz Europa verkündigen ließ, war der Dominikaner wieder dabei. Im Mai 1516 fiel Tetzel dem späteren Reformator Luther zum ersten Mal unangenehm auf, so der Mainzer Kirchenhistoriker Wolfgang Breul. Damals kündigte Luther an, "nun will ich der Paucke ein Loch machen". Das ist ihm dann auch voll umfänglich gelungen.
Mit seinen 95 Thesen konnte Martin Luther einen großen Erfolg verbuchen, Johann Tetzel aber bald nicht mehr das Kloster in Leipzig verlassen. Im ersten Grundrauschen der beginnenden Reformation hatte Tetzel keine Chance mehr. Gerade weil er ein ernstzunehmender Gegner war, bissen sich Luther und die späteren Reformatoren an ihm fest. Da es der Kurie in Rom wichtiger war, Luther zu besänftigen und dessen Landesherren Friedrich den Weisen bei Laune zu halten, ließ Rom den Ablassprediger fallen und machte ihn zum Bauernopfer.
Mythos Tetzel
Am 11. August 1519 starb der Ablassprediger, dem Luther zuvor noch einen tröstenden Brief aufs Sterbebett schickte und ihm versicherte, er wäre an dieser Sache nicht schuld. Danach fiel der Dominikaner mehr oder weniger in Vergessenheit. Teil der protestantischen Erinnerungskultur wurde der Dominikaner eigentlich erst hundert Jahre nach seinem Tod, fand der Historiker Hartmut Kühne heraus.
In den damals so beliebten Theaterstücken tauchte dann Tetzel als gieriger Ablasskrämer auf. Danach rankten sich immer mehr historisch nicht haltbare Geschichten um ihn, die sich zu einem Mythos verdichteten: Tetzel, der Bad Guy der Reformationsgeschichte.