Vor 60 Jahren starb der Berliner Bischof Konrad von Preysing

Gegen das Herrenrasse-Denken

"Der Graf Preysing ist ein absolutes Rabenaas", urteilte Adolf Hitler im August 1942 über den Bischof von Berlin. Hitler war der bayerische Adelige Konrad Graf Preysing ein Dorn im Auge. Eine Moral, die Feindesliebe predigte, konnte Hitler im Ringen der "Herrenrasse" um die Vorherrschaft in Europa nicht gebrauchen.

Autor/in:
Anselm Verbeek
 (DR)

Den Machthabern passte nicht, dass Preysing öffentlichen Protest gegen die NS-Kirchenpolitik wagte, wie man ihn sonst nur aus Münster von Bischof von Galen kannte. Aufsehen erregte 1942 ein Hirtenbrief Preysings. Gemeinsam mit dem Kölner Erzbischof Joseph Frings hatte er eine Stellungnahme zu Rassedenken und Euthanasie, Justizwillkür und Kirchenkampf verfasst. Diese wurde nicht nur von deutschen Kanzeln verlesen, sondern auch im amerikanischen Repräsentantenhaus. Empört nannte Propagandaminister Joseph Goebbels den Bischof einen "Hetzer gegen die deutsche Kriegsführung".



Dabei hatte Preysing, der im deutschen Episkopat den schärfsten politischen Blick besaß, seinen Protest gegen die Verletzung von Menschenrechten in Watte verpackt: "Wer immer Menschenantlitz trägt, hat Rechte, die ihm keine irdische Gewalt nehmen darf ... All die Urrechte, die der Mensch hat ... dürfen auch dem nicht abgesprochen werden, der nicht unseren Blutes ist oder nicht unsere Sprache spricht." Die kodierte Botschaft, die den Völkermord an europäischen Juden, russischen Kriegsgefangenen und polnischen Patrioten anprangerte, wurde verstanden.



"Wir sind in den Händen von Verbrechern und Narren"

Geboren wurde Preysing am 30. August 1880 auf Schloss Kronwinkl bei Landshut. Schon im Elternhaus hatte ihn die Politik geprägt. Der eloquente Jurist schlug eine Diplomatenkarriere ein, die er aber 1908 aufgab, um Priester zu werden. Als Sekretär eines volksnahen Erzbischofs, zuletzt als Domprediger in München lernte Preysing kirchliche Verwaltung und Seelsorge kennen. Bald entdeckte Nuntius Eugenio Pacelli seine vielseitige Begabung und zog ihn als Ratgeber heran. Als Papst Pius XI. Preysing 1932 zum Bischof von Eichstätt ernannte, wurde er für Pacelli, inzwischen Kardinalstaatssekretär, der wichtigste Vertrauensmann unter den deutschen Bischöfen.



Auch nach der Machtergreifung 1933 behielt Preysing einen kühlen Kopf: "Wir sind in den Händen von Verbrechern und Narren", kommentierte er vertraulich. In seinem Fastenhirtenbrief betonte er den Gegensatz von Offenbarungsglaube und NS-Ideologie: Christliche Wertvorstellungen und allgemeine Menschenrechte würden verkehrt, wenn "ein Geschöpf, Volkstum, Rasse und Blut zum letzten Ziel, zum Selbstzweck gemacht" und die Religion durch Nationalismus ersetzt werde. Den Abschluss des Reichskonkordats betrachtete er mit Skepsis.



Die Staatsideologie duldete keine Konkurrenz

Nur drei Jahre später wechselte Preysing schweren Herzens auf den Berliner Bischofsstuhl. Es galt, ein junges Bistum aufzubauen und die festgefahrenen Verhandlungen um die Ausführung des Konkordats anzustoßen. Ein fruchtloses Unterfangen: Die totalitäre Staatsideologie duldete keine Konkurrenz. Als auch der Papst in seiner Enzyklika "Mit brennender Sorge" den Kirchenkampf in Deutschland der Welt kund tat, drängte Preysing vergeblich zu einem Kurswechsel der Bischofskonferenz: Die Bischöfe sollten das Kirchenvolk aufklären. Denn das Regime fürchte allein "Öffentlichkeit und Massenreaktion".



Preysing aber fehlten in Berlin die Massen. Oft war nur diskrete Hilfe möglich: so etwa für die bedrängten jüdischen Mitbürger. Nach dem Untergang des "Dritten Reiches" fanden die Verfolgten der kommunistischen Diktatur einen mutigen Anwalt in dem Bischof, von Pius XII. inzwischen zum Kardinal ernannt. Am 21. Dezember 1950 erlag Preysing einem Herzleiden.