Die Tochter jüdischer Eltern gehörte über ein Jahrzehnt lang zur Elite des deutschen Geisteslebens und steht wie kaum jemand sonst für das Schicksal des deutschen Assimilations-Judentums. 1998 wurde sie von der katholischen Kirche als erste geborene Jüdin offiziell heiliggesprochen.
Theresa von Avila weckte ihr Interesse
Geboren 1891 in Breslau, aufgewachsen in einer jüdischen Familie, wandte sie sich in der Jugend vom Glauben ab, bezeichnete sich selbst als Atheistin, bevor die Lektüre der Biografie der heiligen Theresa von Avila in ihr das Interesse am christlichen Glauben weckte. 1922 wurde Stein in Bergzabern katholisch getauft, kurz darauf gefirmt.
Zu diesem Zeitpunkt hatte die junge Frau bereits eine bedeutende wissenschaftliche Karriere hinter sich. In Breslau, Göttingen und Freiburg hatte sie Philosophie, Psychologie und Geschichte studiert, 1916 bei Edmund Husserl promoviert, sodann als dessen wissenschaftliche Assistentin gearbeitet. Nur zur Habilitation ließ man sie nicht zu - weil sie eine Frau war.
Eigentlich wollte Edith Stein gleich nach ihrer Konversion in die Fußstapfen der heiligen Theresa treten und in den Karmeliterorden eintreten. Doch ihr geistlicher Begleiter, der Speyrer Domkapitular Joseph Schmidt, riet ihr, zunächst in der katholischen Kirche heimisch zu werden. Auf seine Empfehlung hin erhielt sie eine Stelle als Lehrerin bei den Dominikanerinnen in St. Magdalena.
Stein arbeitete zunächst in einer Klosterschule in Speyer als Lehrerin. Gleichzeitig übersetzte sie Thomas von Aquins "Untersuchungen über die Wahrheit". Bedeutende katholische Denker gehörten zu ihrem Freundeskreis, mehrfach hielt sie sich im bayerischen Benediktinerkloster Beuron auf.
"Fräulein Doktor" brachte tiefen Glauben in den Schulraum
Das "Fräulein Doktor" sei eine sehr kluge und gebildete Frau gewesen, "die neben ihren Unterrichtsstunden noch viel studierte", erinnert sich Else Krämer, die vermutlich letzte noch lebende Schülerin Edith Steins. Ihr Unterricht sei anspruchsvoll gewesen und mehr als bloße Wissensvermittlung. Auch ihren tiefen Glauben an Christus habe Edith Stein mit in den Schulraum gebracht, berichtet die alte Dame, die heute in einem Kölner Seniorenheim lebt.
1931 wechselte Stein ans "Institut für wissenschaftliche Pädagogik" in Münster - zum Bedauern von Kolleginnen und Schülerinnen, wie Krämer erzählt. Nur zwei Jahre wissenschaftlicher Arbeit waren ihr dort beschieden, dann beendeten die mittlerweile an die Macht gekommenen Nationalsozialisten ihre Karriere. Edith Stein forderte den damaligen Papst Pius XI. mehrfach auf, öffentlich gegen die Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten zu protestieren. "Seit Wochen warten und hoffen nicht nur die Juden, sondern Tausende treuer Katholiken in Deutschland - und ich denke, in der ganzen Welt - darauf, dass die Kirche Christi ihre Stimme erhebe, um diesen Missbrauch des Namens Christi Einhalt zu tun", schrieb sie an den Papst.
1933 Eintritt in den Kölner Karmel Maria vom Frieden
Stein verließ Münster, um nun doch ihrer geistlichen Berufung zu folgen. Am 14. Oktober 1933 trat sie in den Kölner Karmel Maria vom Frieden ein und nahm dort den Ordensnamen Teresia Benedicta a Cruce an.
Doch auch im Kloster war Stein nicht vor dem Rassenwahn der Nationalsozialisten in Sicherheit. Um den Kölner Karmel zu schützen, wechselte die Ordensfrau 1938 mit ihrer Schwester Rosa ins niederländische Echt. Als die Niederlande 1940 von den Deutschen besetzt wurden, wurden getaufte Juden zunächst von den Deportationen ausgenommen - bis ein öffentlicher Protest des Utrechter Bischofs gegen die Judenverfolgung im Juli 1942 dieser Ausnahmeregelung ein jähes Ende setzte. Nur wenige Tage nach der Veröffentlichung des Hirtenbriefs wurden 244 getaufte Juden verhaftet, darunter auch Edith Stein. Am 7. August fuhr der Deportationszug in den Niederlanden los, nur zwei Tage später fand die Ordensfrau in einer Gaskammer in Auschwitz den Tod.
Johannes Paul II. sprach Edith Stein 1998 heilig
Es war Johannes Paul II., der das Andenken an Edith Stein zu neuem Leben erweckte. 1987, während seines zweiten Deutschlandbesuchs, sprach er die Ordensfrau selig, 1998 schließlich heilig. Ein Jahr später ernannte er sie gemeinsam mit Katharina von Siena und Birgitta von Schweden zur Mitpatronin Europas - und stellte sie damit an die Seite der heiligen Benedikt, Kyrill und Method. Mit Edith Stein solle "auf dem Horizont des alten Kontinents ein Banner gegenseitiger Achtung, Toleranz und Gastfreundschaft aufgezogen werden, das Männer und Frauen einlädt, sich über die ethnischen, kulturellen und religiösen Unterschiede hinaus zu verstehen und anzunehmen", begründete der polnische Papst die Ernennung.
Ihr Gedenktag ist der 9. August. Eine fünf Meter große Statue an der Außenwand des Petersdoms in Rom erinnert seit 2006 an Stein, auch vor dem Priesterseminar in Köln steht ein Denkmal. Wegen ihres Engagements gegen den nationalsozialistischen Rassenwahn wurde Stein zudem 2008 mit einer Büste in die Gedenkstätte Walhalla im bayerischen Donaustauf aufgenommen.
Steins 70. Todestag ist Anlass für mehrere Gedenkveranstaltungen. Zahlreiche Organisationen halten das Andenken an die Nonne wach, darunter die Edith-Stein-Stiftung und das Edith-Stein-Archiv in Köln, die Edith-Stein-Akademie in Waldbreitbach und das Edith-Stein-Berufskolleg in Paderborn. Die Stadt Göttingen vergibt alle zwei Jahre einen Preis zu Ehren der Heiligen.
Vor 70 Jahren wurde Edith Stein in Auschwitz ermordet
Jüdin, Atheistin, Christin
Jüdin, Atheistin, Christin, Ordensfrau, Philosophin, Mystikerin, Märtyrerin - das Bild vom Edith Stein gleicht einem Mosaik, das in den unterschiedlichsten Farben schillert. In der Nacht zum 9. August 1942 starb die Philosophin und Karmeliter-Nonne Edith Stein in den Gaskammern des Konzentrationslagers Auschwitz. Zur Stunde wird in Auschwitz der Todestag mit einem Gottesdienst begangen. Die Predigt hält Kardinal Meisner.
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