Sie gilt als einer der psychologischen Wendepunkte des Zweiten Weltkriegs: die Schlacht um Stalingrad. Eine Geschichte von Hunger, Kälte und Verzweiflung, ein Beispiel für Anmaßung und tödlichen Obrigkeitsglauben: Im Kampf um die Stadt Stalins starben nach Schätzungen eine halbe Million russische und 150.000 deutsche Soldaten. Von den mehr als 100.000 deutschen Kriegsgefangenen, in endlosen Kolonnen, teilweise in Strohschuhen und notdürftig vermummt, in die Lager geführt, kehrten nur 6.000 lebend zurück. Die Schlacht ist mehr als jede andere des Zweiten Weltkriegs noch heute im kollektiven Gedächtnis verankert - ein Menetekel des totalen Zusammenbruchs Deutschlands.
Nach dem Scheitern des "Blitzkriegs" gegen die Sowjetunion 1941 unternahm Hitler 1942 einen neuen Anlauf, um den Vernichtungskrieg im Osten zum Sieg zu führen. Der Feind habe "die Massen seiner Reserven im ersten Kriegswinter weitgehend verbraucht", spekulierte er.
Spektakuläre Erfolge
Am 28. Juni 1942 begann eine deutsche Sommeroffensive an der südlichen Ostfront: Die Wehrmacht konnte spektakuläre Erfolge verbuchen; Sewastopol fiel am 1. Juli in deutsche Hände, die gesamte Krim wenige Tage später. Doch es gelang den sowjetischen Truppen, sich halbwegs geordnet zurückzuziehen. Am 23. Juli 1942 erließ Hitler einen folgenreichen Befehl: Er forderte die gleichzeitige Offensive zu den Erdölgebieten im Kaukasus und gegen Stalingrad - und zersplitterte damit die Kräfte der Wehrmacht.
Zentrum des sowjetischen Maschinenbaus und der Schwerindustrie: Das an der Wolga gelegene Stalingrad war strategisch wichtig. Zugleich wurde die Stadt zum Schauplatz eines Prestigeduells der beiden Diktatoren. "Bei Stalingrad verteidigen wir unsere Mutter Russland", schrieb der Schriftsteller Ilja Ehrenburg. "Das ist tatsächlich eine Frage auf Leben und Tod, und unser Prestige hängt gleichwie das der Sowjetunion in stärkstem Maße von ihrem Ausgang ab", notierte Propagandaminister Joseph Goebbels.
Hohe Verluste
Am 7. August 1942 begann die 6. Armee unter Generalmajor Friedrich Paulus ihre Offensive. Am 23. August flog die deutsche Luftwaffe schwere Angriffe auf Stalingrad; 40.000 Zivilisten kamen ums Leben. Am 13. September rückten die Spitzen der 6. Armee in die Randbezirke ein. Bis Mitte November hatten die deutschen Truppen etwa 90 Prozent der Stadt erobert.
Verbissene Kämpfe von Haus zu Haus: Trotz hoher Verluste gelang es den Deutschen nicht, Stalingrad vollständig einzunehmen. Die Russen behaupteten einen Brückenkopf am westlichen Ufer der Wolga. Hitler berichtete das Gegenteil: Stalingrad sei ein wichtiger strategischer Punkt, brüstete er sich vor den "Alten Kämpfern" in München am 8. November. "Den wollte ich nehmen und - wissen Sie - wir sind bescheiden, wir haben ihn nämlich. Es sind nur ein paar ganz kleine Plätzchen noch da."
Heulende Stalinorgeln
Während eine deutsche Division nach der anderen aufgerieben wurde, zog das sowjetische Oberkommando an den deutschen Flanken kampfstarke neue Kräfte heran. Am 19. November begann die Zangenoperation. Heulende Stalinorgeln, über Schneefelder heranstürmende Sowjets: Drei Tage später war die 6. Armee vollständig eingekesselt. Zehntausende Soldaten verhungerten und erfroren bei minus 40 Grad. Die deutsche Luftwaffe war zu schwach, um die Soldaten aus der Luft zu versorgen.
Hitler untersagte Paulus mehrfach jeden Versuch, aus dem Kessel auszubrechen, und versprach, die Armee von außen freikämpfen zu lassen. Durchhalten bis zur letzten Patrone, so lautete die Anweisung. Doch als die Panzerarmee unter Generaloberst Hermann Hoth am 20. Dezember, 50 Kilometer von Stalingrad entfernt, liegen blieb, war das Schicksal der 6. Armee besiegelt. Am 2. Februar 1943 kapitulierten die letzten Einheiten. Paulus verweigerte sich Hitlers Befehl zum Suizid und ging mit seinem Stab in russiche Gefangenschaft. Hitler tobte.
Katastrophe oder Heldenmythos?
Die Goebbels-Propaganda versuchte, die Katastrophe in einen Heldenmythos umzudichten. Am 3. Februar veröffentlichte das deutsche Oberkommando die Sondermeldung: Die 6. Armee habe ihrem Fahneneid getreu "bis zum letzten Atemzug" gekämpft. Der "Völkische Beobachter" meldete tags darauf: "Sie starben, damit Deutschland lebe."