Vor 75 Jahren wurde Regina Jonas ordiniert

Die erste Rabbinerin der Welt

Regina Jonas war die weltweit erste Rabbinerin. Am 27. Dezember 1935 wurde sie in Berlin ordiniert. Ihr Diplom bescheinigte, dass sie "fähig ist, Fragen der Halacha (des jüdischen Religionsgesetzes) zu beantworten und dass sie dazu geeignet ist, das rabbinische Amt zu bekleiden". Heute ist Jonas, die dem Holocaust zum Opfer fiel, weithin vergessen.

Autor/in:
Veronika Schütz
 (DR)

Dass sie es einmal bis zum Rabbinat schaffen würde, war ihr nicht in die Wiege gelegt. Die Halbwaise wuchs im armen Berliner Scheunenviertel auf. Reiche Verwandte oder rabbinische Vorfahren, die ihr den Weg hätten ebnen können, hatte sie nicht. Zeitgenossen beschrieben sie als "ungemein strebsame Dame". Von religiösem Enthusiasmus beseelt, soll sie schon in der Schule den Berufswunsch Rabbinerin geäußert haben. Mitte der 1920er Jahre verdiente sie ihr Geld als Religions- und Hebräischlehrerin einer jüdischen Mädchenschule. Zum Studium wurde sie an der liberalen "Hochschule für die Wissenschaft des Judentums" zugelassen, der Zugang zu orthodoxen Einrichtungen blieb ihr als Frau jedoch verwehrt.



Dabei war der Studentin der bürgerliche, auf Modernisierung bedachte Flügel des Judentums eigentlich theologisch fremd. "Sie war konservativ und lebte streng nach der Halacha", schreibt Elisa Klapheck, die Jonas" Abschlussarbeit mit dem Titel "Kann die Frau das rabbinische Amt bekleiden?" von 1930 herausgab. Eine Frauengleichberechtigung durch Liberalisierung der Religionsgesetze im Sinne des Reformjudentums kam für Jonas nicht in Frage. Vielmehr wollte sie nachweisen, dass Frauen nach der Halacha Rabbinerin sein können.



In Auschwitz ermordet

Bis zur Ordination musste Jonas allerdings noch warten: Erst 1935, im Jahr der Nürnberger Rassengesetze, war Rabbiner Max Dienemann aus Offenbach bereit, die Rabbinatsprüfung abzunehmen. Doch "Fräulein Rabbiner Jonas", wie sie nun genannt wurde, bekam keine Anstellung. Selbst in der liberalen Berliner Synagoge durfte sie nicht predigen oder trauen. So unterrichtete sie weiter und arbeitete als Seelsorgerin in Sozialeinrichtungen. Je verzweifelter die Lage der Juden unter Hitler wurde, umso mehr kämpfte Jonas für das materielle und seelische Wohl der Verfolgten. Ab 1938 vertrat sie dann Rabbiner, die Deutschland verlassen hatten oder deportiert worden waren. Auswanderung lehnte sie ausdrücklich ab.



Als die Geistliche schließlich selbst ins Konzentrationslager Theresienstadt musste, hielt sie dort Andachten und Vorträge und bemühte sich, den Schock der Neuankömmlinge zu lindern. Am 12. Oktober 1944 wurde die 42-Jährige mit ihrer Mutter nach Auschwitz gebracht und kurz danach ermordet. Dass die Pionierin nach dem Ende des Holocaust vergessen blieb, erklären sich jüdische Frauen heute mit einem Reflex auf den erlittenen Schrecken. Die wenigen Überlebenden seien zutiefst verunsichert gewesen und hätten sich darum an althergebrachte Traditionen geklammert. Ein weiblicher Rabbi passte dazu nicht.



Erst spät hatte Jonas Nachfolgerinnen. Als erste jüdische Geistliche in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg war Bea Wyler von 1995 bis 2004 in den jüdischen Gemeinden von Delmenhorst und Oldenburg tätig. Die erste Ordination zur Rabbinerin auf deutschen Boden nach 1945 fand sogar erst im vergangenen November statt, als die 31-jährige Alina Treiger in Berlin in das Amt eingeführt wurde.