Die Menschen lieben das Konklave - und wieviel mehr noch lieben es die Medien. Höchste Geheimhaltungsstufe, zugleich höchster Neuigkeitswert, Klatsch und Tratsch, katholisch und gesellschaftsfähig. Ein ebenso archaisches wie farbenprächtiges Ritual, das wie nichts anderes geeignet ist, der Fantasie freien Lauf zu lassen.
Auch für viele Kardinäle ist die Papstwahl ein Höhepunkt ihrer Karriere. Das ist freilich in den vergangenen Jahrhunderten nicht immer so gewesen. Für manche wurde das rituelle Einpferchen zum Trauma. Vor 750 Jahren begann die längste aller Papstwahlen. Sie dauerte 1.005 Tage - und brachte alle Beteiligten an ihre Grenzen.
Konklave entstand aus Unmut über zu lange Wahlen
Der Brauch des Einschließens ("conclave", lat. "mit Schlüssel" verschlossener Raum) entstand im 13. Jahrhundert aus schlichtem Verdruss über zu lange Sondierungsgespräche und zu viele erfolglose Wahlgänge. Erst waren es - wie so oft in der früheren Papstgeschichte - rivalisierende stadtrömische Adelsfamilien, dann die Parteiungen der Ghibellinen und der Guelfen (also Parteigänger des Kaisers bzw. des Papsttums), die sich in der Wahl blockierten. An ihre Stelle trat schließlich der römisch-französische Gegensatz, der im 14. Jahrhundert zum Schisma von Avignon führte.
Nach Tod Papst Clemens IV. entstand Pattsituation
Am 29. November 1268 war Papst Clemens IV. gestorben - ein Franzose und Staufergegner, der von Rom in die rund 70 Kilometer nördlich gelegene Kleinstadt Viterbo ausgewichen war. Nur einen Monat nach der Hinrichtung des letzten Staufers Konradin ereilte auch den Papst der Tod.
Die damals 20 Kardinäle bzw. 19 Wähler, die am Sterbeort Viterbo zusammenkamen, zerfielen in zwei Blöcke. Eine Einigung schien von Anfang an aussichtslos. Aber da die Kardinäle sowieso Immobilien in Viterbo besaßen, war es auch nicht allzu schlimm, pro forma täglich zur Wahl im Bischofspalast erscheinen und ergebnislos wieder auseinanderzugehen zu müssen, ein jeder in seine Residenz.
Ein weiteres Pro für die Verzögerung dürfte auch gewesen sein, dass die Kardinäle während der Sedisvakanz auf die nicht unerheblichen Einnahmen des Papsttums zugreifen - und also in der Summe sehr gut mit der Pattsituation leben konnten.
Viterbos Einwohner nicht erfreut
Wer sich allerdings ärgerte, waren die Stadtväter von Viterbo, die die zerstrittenen Kostgänger beherbergen mussten. Um den Einigungswillen zu befördern, beschlossen sie nach und nach immer schärfere Maßnahmen. Zuerst wurden die Stadttore geschlossen, um zumindest die Abreise von Kardinälen zu verhindern - drei waren inzwischen verstorben - und auch um eine weitere politische Einflussnahme von außen durch berittene Boten zu unterbinden. Nur mit einer Sondererlaubnis durfte der schwer erkrankte Kardinal Enrico di Susa das Haus verlassen.
1270 ließ der Präfekt der Stadt die Streithähne einschließen und bewachen. Doch Speis und Trank blieben offenbar noch so gut, dass der Leidensdruck weiter erhöht werden musste. Im Frühjahr 1271 wurden die Rationen gekürzt; ohne Ergebnis. Im Sommer wurden die Kardinäle auf Wasser und Brot gesetzt; ohne Ergebnis. Im August schließlich, mitten in Italiens ärgster Sommerhitze, deckten wütende Bewohner das Dach des Bischofspalasts ab - um dem Heiligen Geist mehr Zuwege zu verschaffen.
Einigung nach über 1.000 Tagen
So geschah es, dass am 1. September 1271, also 1.005 Tage nach dem Beginn, endlich eine Einigung zustande kam. Die Wahl fiel auf den 61-jährigen Italiener Tebaldo Visconti, Erzdiakon von Lüttich. Damit freilich war immer noch kein Papst vorhanden - denn der Erwählte war gerade als Heilig-Land-Pilger unterwegs. So dauerte es noch bis März 1272, bis Visconti in Rom eintraf, zum Priester geweiht und als Papst Gregor X. (1271-1276) inthronisiert wurde.
Gregor X. legte 1274 fest, dass die Kardinäle künftig das Wahllokal nicht mehr verlassen durften; ein Verfahren, das auch verschiedene italienische Stadtrepubliken so praktizierten. Während der Wahl durften sie zudem weder Einkünfte der päpstlichen Kammer noch sonstige Erträge des Papsttums an sich nehmen. So verdankt die katholische Kirche eine ihrer bis heute spannendsten Zeremonien am Ende jener allzu nervigen Wahl, die vor 750 Jahren begann.