Man kann das Ganze wohl als einen der größten Politthriller des Mittelalters bezeichnen: Zwischen dem römisch-deutschen Kaiser und dem Papst in Rom kommt es zu einem tiefen Zerwürfnis. Es wird gedroht, beleidigt, aus der Kirche ausgeschlossen, und zwischendurch kniet einer der beiden Kontrahenten drei Tage lang im Schnee. Der als Investiturstreit bekannte Konflikt erfüllt alle Kriterien eines guten Dramas.
Auf den ersten Blick drehte sich der Investiturstreit um die Frage, wer das Recht habe, die Bischöfe des Reichs mit ihren geistlichen Insignien Stab und Ring oder mit dem weltlichen Zepter einzusetzen.
Natürlich beanspruchte der Kaiser dieses Recht, da die Bischöfe als Reichsfürsten über ein nicht unerhebliches Territorium herrschten und der Kaiser Interesse an treuen Vasallen hatte. Als geistliche Hirten jedoch sah sie der Papst an. Und wähnte als Oberhaupt der Kirche das Recht auf seiner Seite.
Kein Schiedsrichter vorhanden
Hinter der Frage der Bischofsinvestitur klang jedoch auch eine zweite, weitaus existenziellere Frage an, nämlich die, wer nun die größere Macht an sich binde. Zwar regelte allgemein anerkannt die Zwei-Schwerter-Lehre, dass dem Kaiser die weltliche Macht und dem Papst die geistliche Autorität zukam. Jedoch gab es keinen Ausfallplan, keinen Schiedsrichter, der entschied, wie in einem Konfliktfall beider Mächte zu entscheiden sei.
Papst Gregor VII. und Kaiser Heinrich IV. fochten diesen Kampf ab 1075 auf der großen Weltbühne aus. Als der exkommunizierte Kaiser 1077 bei seinem Bußgang nach Canossa mit Zähneknirschen wieder vom Papst aufgenommen wurde, sah es kurzzeitig nach einem Sieg der kaiserlichen Position aus.
Doch wurde Heinrich bald darauf von seinem gleichnamigen Sohn aus dem Amt gedrängt. Als Heinrich V. gekrönt, verfolgte der Salierherrscher alsbald eine selbstbewusstere Machtpolitik; auch dem Papsttum gegenüber. So ließ er im Jahr 1111 Papst Paschalis II. gefangensetzen und nötigte ihm seine Kaiserkrönung sowie das verbriefte Recht für die Bischofsinvestitur ab.
Friedensschluss von Worms
Was folgte, waren jedoch zunächst weitere Intrigen und (Vertrags-)Brüche. Diese mündeten am 23. September 1122 im später als Konkordat bekannten Friedensschluss von Worms zwischen Heinrich V. und Papst Calixt II., der seit 1119 auf dem Stuhl Petri saß. Die aus zwei Erklärungen bestehende Urkunde - das Heinricanum und das Calixtinum - sollte die Frage nach dem Recht der Bischofsinvestitur abschließend klären.
Als wichtigste Entscheidungen hielt der Vertrag fest: Die Bischöfe sollten vom jeweiligen Domkapitel gewählt werden. Der Kaiser akzeptierte den Anspruch des Papstes und der Kirche auf die Einsetzung mit Ring und Stab. Im Gegenzug räumte der Papst dem Kaiser das Recht ein, die Wahl durch einen Vertreter aushandeln zu können sowie den gewählten Kandidaten schon vor der Weihe auch durch das Zepter belehnen zu können.
Damit wurde der seit 1075 immer wieder aufflammende Streit zwar beigelegt und auch das Konfliktpotenzial zwischen Kaiser- und Papsttum zumindest verringert. Doch die so wichtige Verbindung der beiden Machtpole hatte einen erheblichen Schaden erlitten. Das Wormser Konkordat gilt deswegen als eines der folgenschwersten Vertragswerke des Hochmittelalters.
Herausragend für Stadt Worms
Für die mit den Saliern fest verbundene Stadt Worms ist das Konkordat - wie es erstmals 1693 von Gottfried Wilhelm Leibniz genannt wurde - zudem ein herausragendes Dokument für die Stadtgeschichte. So wird auch das 900. Jubiläum festlich begangen: Am 25. September ist ein Gottesdienst mit dem Mainzer Bischof Peter Kohlgraf - ernannt durch Papst Franziskus, jedoch mangels Kaiser ohne Zepter investiert - sowie mit dem Papstbotschafter in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterovic, im Wormser Dom angesetzt. Den Festvortrag hält der frühere Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof, womit auch die rechtliche Komponente des Dokuments hervorgehoben wird.
Ergänzt wird die Jubiläumsfeier durch weiteres Rahmenprogramm. So startet am 24. August die Sonderausstellung "Spiel um die Macht. Von Canossa nach Worms" im Stadtmuseum im Andreasstift. Schon im Vorfeld des Jubiläum sollen vom 14. bis zum 16. September bei der Tagung "Das Wormser Konkordat von 1122 im europäischen Kontext" Historikerinnen und Historiker über das Dokument und den Investiturstreit referieren.
Daraus soll auch ein neuer Sammelband mit einer historischen Einordnung des Konkordats entstehen.