Vor der Bürgerschaftswahl zeichnen sich keine eindeutigen Mehrheiten ab

Hamburg drohen "hessische Verhältnisse"

In der Hansestadt Hamburg ist am Sonntag der Tag der Entscheidung: Dann wird dort ein neuer Landtag gewählt. CDU-Bürgermeister Ole von Beust muss dabei gegen seinen SPD-Herausforderer Michael Naumann die absolute Mehrheit in der Hansestadt verteidigen. Nach den jüngsten Umfragen drohen auch in Hamburg hessische Verhältnisse: Weder Union und FDP noch Rot-Grün könnten eine Regierung bilden.

Autor/in:
Michael Best
 (DR)

Laut aktueller Umfragen liegt die Linke mit den Grünen gleichauf, während die Liberalen an der magischen Fünf-Prozent-Hürde kleben. Dieses letzte Meinungsbild ist jedoch fast eine Woche alt. Und seither geriet manches in Bewegung, das die Spannung weiter erhöht.

So hatte etwa jeder vierte unentschlossene Hamburger Wähler seine Stimme vom Ausgang des TV-Duells zwischen Beust und Naumann am vergangenen Sonntag abhängig gemacht. Leichter wird ihm die Entscheidung seither nicht gefallen sein. Die Kontrahenten übten sich in biederem hanseatischem Understatement.

Auf das Wahlergebnis durchschlagen könnten zumindest Aufreger der
vergangenen Tage. So hoffen die großen Parteien, dass sie der Skandal
um die massenhafte Steuerhinterziehung über Liechtenstein keine
Stimmen kostet. Die GAL präferiert nach zwischenzeitlichem
Kokettieren mit schwarz-grünen Überlegungen nun konsequent Rot-Grün.
Sie hatte feststellen müssen, dass Koalitionserwägungen mit der CDU
auf große Wählerskepsis stießen.

Merkel und Westerwelle warnen vor "Linksruck"
Die Linke hingegen hat sich mit der Lancierung von DKP-Leuten auf ihren Listen möglicherweise einen Bärendienst erwiesen. Abzuwarten bleibt, ob der Ausschluss der niedersächsischen Landtagsabgeordneten Christel Wegner (DKP) aus der Linke-Fraktion die Wogen der Entrüstung glätten kann. Immerhin kandidieren auf der Hamburger Linke-Liste auch DKP-Bezirkschef Olaf Harms und neun weitere Kommunisten. Spitzenkandidatin Dora Heyenn sieht dennoch ein Ergebnis von "zehn Prozent plus x" und ihre Partei als drittstärkste Kraft in der Bürgerschaft als realistisch an.

In der SPD hofft man unter diesen Vorzeichen, dass sich das Potenzial der Protestwähler, die im Sog der Ex-Genossen aus der WASG zur Linken abwandern, in Grenzen hält. Naumann setzt offiziell auf Rot-Grün für den Politikwechsel im Rathaus. Inwiefern aber in Wirklichkeit eine Tolerierung durch die Linke, wie sie für eine Minderheitsregierung in Hessen auf einem Geheimtreffen mit SPD-Chef Kurt Beck am Montag in Hamburg diskutiert worden sein soll, eine Rolle spielen könnte, bleibt vorerst nebulös.

Naumann schwor zwar zur Wochenmitte, dass es mit ihm eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der Linken nicht geben werde. CDU und FDP trauen ihm dennoch nicht über den Weg, skeptisch vor allem darüber, welchen Druck Beck letztlich ausüben wird. "Die SPD in Hamburg ist eben nicht nur Michael Naumann", sagte CDU-Chefin Angela Merkel am Donnerstagabend. Und FDP-Chef Guido Westerwelle war überzeugt: "Wenn die SPD kann, wird sie sich von den Grünen und der Linkspartei ins Amt bringen lassen." Beide warnten vor einem Linksruck. Das Schlagwort von den "hessischen Verhältnissen" ist in Hamburg zum Drohbegriff geworden. Die Angst vor einem rot-rot-grünen Fanal für kommende Wahlen geht um.

Naumann direkt hinter Beust
Das Zünglein an der Waage könnte die FDP werden. Die Liberalen halten zwar an ihrem Profil als Mittelstandspartei fest, stehen damit aber im Schatten der CDU-Politik, die bislang mehr auf die großen Flaggschiffe setzte, um den Wirtschaftsstandort Hamburg zu festigen. Die Liberalen müssen zudem ob ihres allzu lauten Protestes gegen rigide Hamburger Gesetze einstecken, eher zur "Hundefreunde- und Raucherpartei" degradiert zu werden. Und selbst wenn es um Köpfe geht, tun sich die Hamburger Wähler offenbar zunehmend schwer.

Nachdem die CDU mit ihrem ganz auf Beust fixierten Wahlkampf lange vorn lag, hat Naumann mittlerweile aufgeholt. Bei einer Direktwahl des Bürgermeisters würden zwar immer noch 50 Prozent für Beust votieren. Naumann aber erzielt nur sieben Punkte weniger. Im September hatte sein Rückstand 23 Prozentpunkte betragen. Aber die letzte Umfrage ist eben fast eine Woche alt.