Vor hundert Jahren wurde Raoul Wallenberg geboren

Retter tausender ungarischer Juden

Raoul Wallenberg war erst 34 Jahre alt, als er in einem Sowjetgefängnis starb - sofern die Angaben der UdSSR stimmen. Ins Gedächtnis der Menschheit hat sich der schwedische Diplomat durch seinen Einsatz in Budapest eingebrannt, wo er Zehntausenden Juden das Leben rettete. Wallenberg wurde vor 100 Jahren, am 4. August 1912, in der Nähe von Stockholm geboren.

Autor/in:
Birgitta Negel-Täuber
 (DR)

Seine Vorfahren waren Bankiers, Diplomaten und Offiziere, die Wallenbergs sind auch heute noch die reichste Familie Schwedens. Raouls Vater starb schon vor seiner Geburt. Die Mutter heiratete wieder, zum Stiefvater und den Halbgeschwistern hatte er ein herzliches Verhältnis. Nach seiner Schulzeit studierte Wallenberg Architektur in den USA. Auf Wunsch seines Großvaters begann er dann aber eine Bankausbildung, arbeitete in Südafrika und Palästina. Dort lernte er erstmals Juden kennen, die aus Hitlerdeutschland geflüchtet waren. Diese Begegnungen machten großen Eindruck auf den jungen Mann. Dem Bankwesen konnte er hingegen nicht viel abgewinnen. "Ich glaube, meinem Charakter entspricht eine positive Einstellung zum Leben eher, als hinter einem Schreibtisch zu sitzen und "nein" zu den Leuten zu sagen", schrieb er an seinen Großvater. Zunehmend zog es ihn in den diplomatischen Dienst.



In dieser Zeit der beruflichen Orientierung - Wallenberg arbeitete im Unternehmen eines ungarischen Juden - trat das War Refugee Board (WRB, Kriegsflüchtlings-Komitee) an ihn heran. Im Januar 1944 setzte der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt diese Arbeitsgruppe ein, um vor allem Juden in Ungarn vor den Konzentrationslagern zu retten. Im neutralen Schweden suchte das WRB nach einer geeigneten Persönlichkeit, die bereit war, die Rettungsaktion umzusetzen. Intelligent sollte diese Person sein, mit gutem Ruf, guten Kontakten und nichtjüdisch. Die Wahl fiel auf Raoul Wallenberg. Am 7. Juli 1944 reiste er im Auftrag der schwedischen Regierung nach Budapest. Kurz zuvor, am 27. April 1944, waren die ersten Züge aus Ungarn Richtung Auschwitz gerollt.



Als Attache der schwedischen Gesandtschaft hatte Wallenberg Diplomatenstatus und durch das WRB ausreichende finanzielle Mittel.

Außerdem konnte er Schutzbriefe ausstellen. Diese Papiere garantierten die Einreise nach Schweden. Wallenberg erreichte, dass er 4.500 der begehrten Pässe ausgeben durfte, schließlich sogar über 8.000. Eigentlich waren sie nur für eine Person gedacht, aber Wallenberg trug kurzerhand ganze Familien darin ein.



Rastloser Retter

Das Verfahren war mühsam und zeitraubend, denn gegenüber den ungarischen Behörden musste die Fiktion aufrecht erhalten werden, dass die Schutzbrief-Inhaber tatsächlich Beziehungen nach Schweden hätten. Zeitweise beschäftigte Wallenberg bis zu 400 jüdische Mitarbeiter, die dadurch unter dem Schutz der schwedischen Botschaft standen. Raoul Wallenberg war nicht der einzige, der so vorging.

Auch der Schweizer Diplomat Carl Lutz und der päpstliche Nuntius in Budapest, Angelo Rotta, stellten Schutzbriefe aus. Durch Wallenbergs Schwung wurden die menschlich gesonnenen Vertreter der neutralen Staaten mitgerissen. Sie bombardierten die Regierung mit Protestnoten.



Die Deportationen endeten erst mit dem Einmarsch der Roten Armee. Bis dahin war Wallenberg rastlos unterwegs, unterhielt Kontakte in alle Richtungen. Möglicherweise wurde ihm diese Umtriebigkeit letztlich zum Verhängnis. Am 17. Januar 1945 machte er sich mit seinem Chauffeur auf den Weg, um mit dem sowjetischen Militär über weitere Hilfsmaßnahmen für die ungarischen Juden zu sprechen. Danach verliert sich die Spur der beiden Männer. Erst Jahre später erklärten die Sowjets, die bis dahin geleugnet hatten, überhaupt etwas über den Verbleib Wallenbergs zu wissen, er sei am 17. Juli 1947 im Gefängnis gestorben. Ob das stimmt, woran er tatsächlich gestorben ist und was die Hintergründe seiner Gefangennahme sind, ist bis heute ungeklärt.