Der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, ist "hoch alarmiert" über die Zukunft vieler Träger und Einrichtungen der gemeinnützigen Freie Wohlfahrtspflege. Die Politik habe offenbar die existenzielle Gefährdung und damit die Gefahr für die Hilfebedürftigen und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht ausreichend im Blick, sagte Neher in Berlin.
Der derzeit konzipierte Rettungsschirm für den Arbeitsmarkt enthalte Instrumente wie Steuererleichterungen, Erleichterungen bei KfW-Krediten oder Spezialregelungen für die Industrie und den Einzelhandel, "die allesamt wenig zur Besonderheit unseres Sektors passen", so Neher. Es gehe ihm vor allem "um die Menschen, die wir begleiten und unterstützen, zum Teil mit überlebenswichtigen Hilfsangeboten".
Gesellschaftliche Katastrophe drohe
Das drohende Aus für viele Dienste und Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege sei kein rein finanzielles Problem, betonte Neher. " Es ist potenziell eine gesellschaftliche Katastrophe, denn es würde bedeuten, dass wir Verbände mit unseren Einrichtungen und Diensten den Menschen nicht mehr helfen könnten, die darauf dringend angewiesen sind."
Die derzeitige Situation zeige: "Wenn wir für die Menschen nicht da sind - zum Beispiel für die Wohnungslosen, für die aktuell die Tafeln und die Notunterkünfte nach und nach schließen - ist niemand für sie da", sagte der Caritas-Präsident. Umso wichtiger sei es deshalb, dass es für die Einrichtungen und Dienste zugeschnittene Lösungen gebe. " Zum Beispiel, dass die Leistungsentgelte weiterhin gewährt werden, auch wenn die Leistungen im Moment nicht erbracht werden können, wie im Bereich Reha. Oder dass der Umstieg auf digitale Angebote, beispielsweise in der Beratung, honoriert wird" , so Neher.
Diakonie und AWO appellieren an Bund und Länder
Diakonie-Präsident Lilie und AWO-Chef Stadler appellieren an die Bund und Länder, Garantien für die Sozialwirtschaft zu übernehmen. Viele Einrichtungen kämen jetzt in Not, würden aber gebraucht, jetzt in der Krise und danach.
Vor den Beratungen der Bundesregierung über weitere Hilfen in der Corona-Krise hat die Diakonie einen Rettungsschirm für die Einrichtungen der Wohlfahrtspflege gefordert. Kitas oder Beratungsstellen stünden wegen fehlender Einnahmen mit dem Rücken zur Wand, sagte der Präsident des evangelischen Wohlfahrtverbandes, Ulrich Lilie, am Freitag.
Soziale Infrastruktur in Gefahr
Der Vorstandsvorsitzende der Arbeitwohlfahrt (AWO), Wolfgang Stadler, erklärte ebenfalls, die soziale Infrastruktur sei in der gegenwärtigen Krise massiv gefährdet. Diakoniepräsident Lilie warnte, "gerade den kleinen und mittleren Einrichtungen kann ganz schnell die Luft ausgehen - und zwar binnen Wochen." Fast alle seien angewiesen auf Zuwendungen und Entgelte nach Leistungsvereinbarungen, die wegfallen könnten, wenn die Einrichtungen geschlossen seien.
"Alle sind außerdem gemeinnützig. Das heißt, sie dürfen keine großen Rücklagen bilden", erklärte der Diakonie-Chef. Ihnen drohe das finanzielle Aus: " Kosten für Mieten und Personal bei einer Kita oder Tagespflege laufen ja weiter." Es gehe um viele Arbeitsplätze, sagte Lilie, aber auch um "für den Zusammenhalt der Republik essenzielle Handlungsfelder: Kitas, Beratungsstellen, Tagespflege und Reha-Einrichtungen."
Fortbestand garantieren
Er appellierte an die Bundesregierung, ein klares Signal zu setzen und den Fortbestand der Einrichtungen zu garantieren. "Wir sind ein ganz wesentlicher Bestandteil des Zusammenlebens und haben im Moment eine wichtige Rolle für Zusammenhalt und Solidarität in diesen herausfordernden Zeiten", sagte Lilie.
Der AWO-Vorsitzende Stadler erklärte, die Auswirkungen der Krise auf den gesamten sozialen Sektor seien massiv: "Ambulante Pflegedienste müssen den Dienst einstellen, weil die Schutzkleidung fehlt. Reha-, Kur- und Erholungseinrichtungen fürchten um ihre Existenz, weil sie den Betrieb einstellen müssen. Inklusionsbetriebe beispielsweise in der Gastronomie stehen vor dem Aus, weil sie keine Aufträge mehr erhalten." Auch das Ehrenamt und die Freiwilligendienste seien stark betroffen, sagte Stadler.
Staatliche Hilfe für Sozialwirtschaft
Die Sozialwirtschaft brauche umgehend staatliche Hilfe. Dazu zähle eine Erklärung der Bundes- und Landesbehörden, dass Förderungen beibehalten würden, auch wenn keine oder nur eine eingeschränkte Leistung erbracht werden könne. Der Ausfall von Leistungsentgelten müsse kompensiert werden. Die Menschen bräuchten verlässliche Anlaufstellen, an die sie sich wenden könnten, sagte Stadler.