Er war ein bekanntes Gesicht der katholischen Kirche in Deutschland: Winfried Pilz im Bundeskanzleramt, Winfried Pilz im Brüsseler EU-Parlament. Als charismatischer Präsident des Kindermissionswerks "Die Sternsinger" (2000-2010) in Aachen begegnete Pilz, selbst "Monsignore" und damit päpstlicher Ehrenkaplan, hohen Tieren wie Bundespräsident Horst Köhler oder Kanzlerin Angela Merkel.
Damals wurde er häufig "Ober-Sternsinger" genannt. Sich selbst bezeichnete er gern als "Oberkamel in der Karawane" der Hilfe. Doch nun, nach seinem Tod 2019 mit 78 Jahren, fällt ein Schatten auf das Lebenswerk des gebürtigen Sudetendeutschen.
Vorwürfe "teils bestätigt"
Am Mittwoch teilte das Erzbistum Köln mit, es prüfe Missbrauchsvorwürfe gegen Pilz. Er sei bereits 2012 beschuldigt worden, in den 70er Jahren mit einem jungen, qua Arbeitsverhältnis schutzbefohlenen Erwachsenen sexuell verkehrt zu haben. Der Verdacht habe sich bei einer Untersuchung "teils bestätigt"; daraufhin habe der damalige Kölner Kardinal Joachim Meisner dem Ruheständler 2014 einen Verweis erteilt, eine Geldstrafe auferlegt und Kontakt zu Minderjährigen verboten.
Im Zuge der Aufarbeitung des Erzbistums, so heißt es weiter, sei der Fall 2018 der Staatsanwaltschaft nachgemeldet worden, die wegen Verjährung nicht ermittelte-hätten sich Hinweise auf mögliche weitere Verdachtsfälle ergeben.
Weitere Verdachtsfälle?
Vielen ist Pilz als charismatischer Gestalter, als Macher im Gedächtnis - ein Nimbus, der auch Gefahren für sich und andere mit sich bringen kann. Als Jugendseelsorger textete Pilz Anfang der 1970er Jahre die deutsche Version eines italienischen Gitarren-Ohrwurms. Das Lied "Laudato si", eine Adaption des Sonnengesangs des heiligen Franziskus (1181/82-1226), wurde in Deutschland ein großer Erfolg, der vor allem von Kindern und Jugendlichen bis heute oft gesungen wird.
Priester im Erzbistum Köln
Pilz war zwar seit 1966 Priester des Erzbistums Köln. Geboren aber wurde er 1940 in Warnsdorf im Sudetenland, im Böhmischen Niederland.Im Zuge des Zweiten Weltkriegs vertrieben, landete die Familie 1952 in Köln. Ab 1972 war Pilz Diözesanjugendseelsorger und für knapp 18 Jahre Rektor der Jugendbildungsstätte Haus Altenberg im Bergischen Land. In dieser Zeit knüpfte er zahlreiche Kontakte, auch über den Eisernen Vorhang hinweg; so in die Lausitz und nach Tschechien.
Er schrieb zahlreiche Liedtexte und geistliche Texte, auch als freier Autor der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), für die er geistliche Impulse zum Kirchenjahr verfasste. An alltäglichen Begebenheiten erklärte er schwierig zu erklärende Feste: Kreuzerhöhung, Epiphanie, Fronleichnam, Christkönig.
"Kluger, kraftvoller und kreativer Seelsorger"?
Nach einer Zeit als Pfarrer in Kaarst am Niederrhein (1990-2000) und den Sternsinger-Jahren in Aachen übernahm Pilz kurzzeitig bis 2012 die Leitung der deutschsprachigen Gemeinde in Prag, die ihn bei seinem Tod als "klugen, kraftvollen und kreativen Seelsorger" würdigte. Seinen Ruhestand verbrachte der Priester in dem kleinen grenznahen 4.000-Einwohner-Ort Leutersdorf, sechs Kilometer entfernt von seinem böhmischen Geburtsort. Er starb im Mai 2019 in Görlitz und wurde im Warnsdorfer Ortsteil Studanka beigesetzt.
Auch Bistum Dresden-Meißen sucht Betroffene
Der Suche nach Betroffenen schloss sich am Donnerstag das Bistum Dresden-Meißen an, wo Pilz als Ruhestandsgeistlicher seit 2010 bis zu seinem Tod lebte und wirkte. Auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur erklärte das Bistum, in der zweiten Juni-Hälfte 2022 erstmalig vom Erzbistum Köln über Vorwürfe gegen Pilz informiert worden zu sein. Bislang seien keine Verdachtsmomente aus dem Bistum Dresden-Meißen bekannt.