Sie seien aus einem falschen Verständnis der grundgesetzlich verankerten Kirchenautonomie Fällen von sexualisierter Gewalt durch Kirchenmitarbeitende nicht im notwendigen Maß nachgegangen, sagte Heinig am Samstag in Berlin.
Bei einer Tagung über "Religionspolitische Reformperspektiven für die Kirchen" erklärte er, diese Rechtsauffassung habe zu juristisch unbegründeten "Hemmungen" geführt.
Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft
Wegen ihres Status' einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft mit autonomen Gestaltungsmöglichkeiten seien die Kirchen in besonderem Maße zur Rechtstreue gegenüber staatlichen Gesetzen verpflichtet, so der Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Wenn eine Kirche weiterhin wie früher Missbrauchsfälle systematisch vertuschen würde, wäre dieser Rechtsstatus infrage gestellt. Damit sind Privilegien verbunden wie die Möglichkeit, Kirchensteuern zu erheben oder Mitspracherechte in Gremien zu erhalten.
Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller betonte, die mit dem Körperschaftsstatus verbundenen staatlichen Erwartungen an die Kirchen, in der Gesellschaft Sinn und Beziehungen zu stiften, seien wegen des Mitgliederschwundes immer weniger erfüllbar. "Die ethischen Positionen der Kirchen verhallen weithin ungehört", sagte Schüller.
Anstelle des Körperschaftsstatus' könnten begründete Sonderrechte für Religionsgemeinschaften auch auf anderem gesetzlichem Weg verankert werden.
Vorzüge des deutschen Religionsverfassungsrechtes
Auch die Göttinger Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus betonte, der Körperschaftsstatus sei nicht erforderlich, um die Stellung etwa muslimischer Religionsgemeinschaften zu verbessern.
So sei es auch ohne diese Rechtsstellung gelungen, etwa muslimischen Religionsunterricht an Schulen sowie Seelsorge in Strafanstalten und Krankenhäusern zu etablieren.
Der Darmstädter Theologe und Sozialethiker Hermann-Josef Große Kracht stellte dagegen die Vorzüge des deutschen Religionsverfassungsrechtes heraus. Er äußerte die Vermutung, dass sich die katholische Kirche ohne den Körperschaftsstatus in eine "fundamentalistische Ecke zurückziehen" würde. Das Modell einer vielfältigen Mitwirkung an gesellschaftlichen Aufgaben führe dagegen zur "Disziplinierung und Demokratisierung der Kirche".