DOMRADIO.DE: Fünf Tage waren Sie unterwegs in Homs und Aleppo, wie haben Sie diese Städte erlebt?
Peter Neher (Präsident des Deutschen Caritasverbandes): Wir sind mit dem Auto von Beirut aus gefahren. Schon auf dem Weg hatten wir ständig Sicherheitskontrollen zu bestehen. Wenn man dann nach Ost-Aleppo reinfährt, ist es schon bedrückend. Ganze Stadtteile sind zerbombt. Dort ragen nur noch Ruinen in den Himmel; vereinzelt sind Menschen auf den Straßen. Das macht einen sehr erschütternden Eindruck.
DOMRADIO.DE: Seit Kriegsbeginn vor sieben Jahren wurden in diesem Krieg 400.000 Menschen getötet, zwölf Millionen Syrer befinden sich auf der Flucht. Und die Caritas Deutschland – besonders auch Caritas International ist vor Ort und hilft. Wie genau sieht diese Hilfe aus?
Neher: Unser Partner vor Ort ist die Caritas Syrien. Sie sind sehr engagiert in Aleppo und in Homs. Sie verteilen Lebensmittel, die über die UNO bereitgestellt werden, weil die Kolleginnen und Kollegen der Caritas sich einfach auskennen. Sie haben die Bezüge zu den Menschen. Über einige Programme versuchen wir, den Kindern Bildung zu bieten. Teilweise haben sie monatelang oder über Jahre keine Schule besuchen können. Ganz wichtig ist aber auch die psychosoziale Betreuung. Denn viele der Kinder sind völlig traumatisiert von den lauten Kämpfen und Schüssen. Und ein wichtiger Punkt ist auch, dass die Familien ihre Wohnungen wieder aufbauen können. Und dafür braucht es die entsprechenden Mittel. Derzeit gibt es bis zu Tausend US Dollar für die Familien. Leider scheitert der Aufbau daran, dass kein Wasser und keine Elektrizität vorhanden sind.
DOMRADIO.DE: Es kommen Menschen nach Syrien zurück, versuchen ihre Wohnungen wieder herzurichten. Sie sagen: Das geht längst noch nicht, wieso?
Neher: Ich denke, wenn jemand freiwillig zurückkehrt, dann hat er wohl Gründe, dass er sagt, da habe er eine Unterstützung und kann das machen. Ich halte es aber für völlig unverantwortlich, Menschen von uns aus dorthin auszuweisen.
DOMRADIO.DE: Oft hört und liest man auch von Medienkritikern und Politikern, der Krieg sei ja nicht im ganzen Land so schlimm. Die AfD hatte sogar selbst Beobachter geschickt. Was entgegen Sie darauf?
Neher: Es sind von den vor dem Krieg 21 Millionen Syrern sechs Millionen Binnenflüchtlinge. Das heißt, sie sind im eigenen Land, können aber nicht in ihren Städten wohnen. Allein das ist eine enorme Herausforderung für die syrische Gesellschaft, diese Menschen irgendwie zu integrieren, sie in Arbeit zu bringen, ihnen einen Lebensunterhalt zu ermöglichen. Und von daher kann ich nur davor warnen, auch noch von außen Druck zu machen und die Menschen zurück zu schicken in dieses Elend - ohne Arbeit und ohne Gesundheitsversorgung. Das wäre zum jetzigen Zeitpunkt politisch und menschlich unverantwortlich.
DOMRADIO.DE: Wie sieht es denn in den anderen Regionen dann genau aus, wie sieht die Überforderung mit den Binnenflüchtlingen aus?
Neher: Viele Menschen in Homs sind in Schulen untergebracht. Das wiederum hat die Folge, dass die Kinder, die dort regulär zu Schule gehen, sich in Klassen mit bis zu 80 Kindern befinden, weil ein großer Teil der Schulen für Flüchtlinge reserviert ist.
DOMRADIO.DE: Erzbischof Burger war mit auf der Reise und sagte nach seiner Rückkehr: "Wer die zerbombten Stadtteile sieht, die zerstörte Infrastruktur, bei dem will die Freude über die Botschaft Jesu nicht so richtig aufkommen." Das klingt hoffnungslos. Ist es das?
Neher: Nein, ich finde, es klingt sehr nüchtern. Auch die Jünger Jesu sind nicht sofort auf den Osterjubel hin aufgesprungen. Ostern ist eine Hoffnung und die haben wir natürlich auch für Syrien, wenn auch diese auf eine harte Probe gestellt ist.
Das Interview führte Verena Tröster.