DOMRADIO.DE: Dabei muss ja trotzdem noch mal differenzieren, eine historische Figur des Nikolaus von Myra, die ist nicht so richtig zu fassen, oder?
Dr. Dominik Meiering (Kölner Generalvikar): Ja das ist das Schöne, aber auch das Schwierige. Offensichtlich sind da ganz viele Legenden und Geschichten von historischen Personen zusammengeflossen. Und dann ist daraus dieser Nikolaus geworden, den wir heute kennen. Aber die Ursprünge liegen wohl in unterschiedlichen Personen begründet.
DOMRADIO.DE: Aber letztlich kommt es ja gar nicht so sehr auf die historischen Feinheiten an – Nikolaus ist unser Vorbild im Schenken. Und rund um den heutigen Tag gibt es natürlich viele Nikolausfeiern, und wenn es nach Ihnen geht – am liebsten in authentischer Kleidung?!
Meiering: Ja natürlich. Das ist eine historische Person gewesen – ein Bischof. Wir kennen ihn als Bischof von Myra und als solcher hat er eine Bischofstracht getragen. Ich habe einmal eine Nikolausfeier erlebt, da kam jemand mit einer Schlumpfmütze mit glitzernden Sternen rein. Dann wurde zu Jingle-Bells ein Hüfttanz aufgeführt, das war dann die Nikolausfeier.
DOMRADIO.DE: Das fanden Sie bestimmt nicht gut?
Meiering: Naja, ich fand es schade, weil meine Erinnerung eine ganz andere war. Nämlich: Da kam der Mann, der mich als Kind wertschätzend angeschaut hat, der mir gesagt hat: "Du bist kostbar und wertvoll." Der hat nicht gesagt: "Du bekommst das nicht hin mit dem Schuhe putzen", sondern "Das mit dem Schuhe putzen machst du schon ganz gut, aber..." Und auf diese Art und Weise den Blick Gottes den Menschen zu schenken, ich glaube, das ist das, was der Nikolaus kann. Aus der Perspektive Gottes aufeinander schauen, dazu lädt der Nikolaus uns ein.
DOMRADO.DE: Man kann das ja richtig lernen. Es gibt eine Nikolausschule für Nikolausdarsteller.
Meiering: Ja. Weil einfach die Sorge da ist, dass das nicht mehr weitergegeben wird. Da wir diese Traditionslinie nicht abbrechen lassen wollen, hat der BDKJ vor Jahren schon überlegt, dass wir eigentlich helfen müssen, damit auch junge Leute lernen und verstehen, was den Nikolaus ausmacht. Dort lernen die Darsteller: Wie gehe ich mit den Kindern um? Wie kleide ich mich? Wie kann ich diese wertschätzende Grundhaltung vermitteln? Wie organisiere ich eine Nikolausfeie? All diese Dinge, die kann man da lernen.
DOMRADIO.DE: Immer wieder gibt es ja auch Gegenbewegungen – gegen die religiösen Aspekte im Alltagsleben. In städtischen Kitas heißt es: Wir machen einen "Laternenumzug" und feiern kein St. Martin. Oder so wird eben kein Nikolaus gefeiert, sondern es kommt der nette Geschenkemann mit der Zipfelmütze – auch aus Respekt vor den Menschen, die mit dem Christentum nichts am Hut haben.
Meiering: Ja, aber das wandelt sich im Augenblick kolossal. Ich merke, dass ganz viele städtische Schulen auf die Priester, Diakone, Gemeinde, Pastoralrefenten zugehen und sagen: "Könnt ihr uns nicht mal helfen und zeigen, wie das geht mit dem Nikolaus?" Weil man sich natürlich denkt: Weshalb soll ich mit der Fackel oder Laterne rumziehen? Was ist die Geschichte, die ich erzählen möchte? So wie der Martin für das Teilen steht, steht der Nikolaus für das Schenken.
DOMRADIO.DE: Aber wofür brauchen wir diese Heiligen?
Meiering: Wir brauchen Identifikationsfiguren, an denen die Kinder etwas lernen können. Die ersten Identifikationsfiguren sind natürlich die Eltern. Aber darüber hinaus sind das Personen, an denen man festhalten kann und zeigen kann: "Guck mal, so wie der handelt, das ist gut - und wenn du so handelst, bist du auch gut." Wenn wir das nicht mehr haben, dann wird es schwierig. Ich bin aber sehr hoffnungsvoll, dass das wiederkommt und, dass das ein Thema ist, das alle Menschen betrifft. Egal welcher Kultur, welcher Religion, welchen Alters - das ist etwas, was uns alle miteinander verbindet.
Das Interview führte Tobias Fricke.