DOMRADIO.DE: Sie haben zusammen mit Ihrer Schwester Annette nicht lange gefackelt und Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Wie kam es dazu?
Peter Honvehlmann (Gastvater einer Flüchtlingsfamilie aus Oer-Erkenschwick): Das kam über meine Familie. Mein Cousin und seine Frau haben kurz nach Kriegsbeginn schon die ersten Anfragen gehabt, ob sie irgendwo helfen könnten. Dann haben sie ganz kurzfristig zugesagt und in ihrem Haus etwas freigeräumt. Das haben wir natürlich innerhalb der Familie schnell mitbekommen und mit Kleinigkeiten, die gebraucht wurden, ausgeholfen. Dann kam kurz darauf die Anfrage, ob wir auch Flüchtlinge aufnahmen können. Da haben wir hin und her überlegt.
Meine Mutter ist so ergriffen von diesem Lied von Reinhard Mey "Meine Söhne kriegt ihr nicht". Wenn sie dieses Lied hört, dann weint sie, das ist richtiger Mutterschmerz. Sie sagte dann, wir müssen da helfen. Wir haben Dienstag die Anfrage gekriegt, am Donnerstag war die Wohnung fertig eingerichtet. Wir haben eine riesige Unterstützung von der Facebook-Community bekommen. Ich hatte da ein Posting gemacht, dass wir für eine Mutter mit zwei minderjährigen Kindern Unterstützung brauchen... Und da kam unheimlich viel Feedback aus der Nachbarschaft – ganz ganz toll. Das haben wir gar nicht an die große Glocke gehangen, sondern nur lokal geworben.
DOMRADIO.DE: Was braucht denn die Flüchtlingsfamilie außer Möbel?
Peter Honvehlmann: Ja, einmal den Kühlschrank voll machen ist kein großer Akt. Tassen, Gläser und Teller, die ganze Einrichtung, das haben wir relativ schnell und unkompliziert gemacht. Am Freitag sind sie gekommen, am Montag hatten wir dann einen Termin beim Sozialamt. Da haben wir ein sehr starkes Entgegenkommen gemerkt. Der Mitarbeiter dort war sehr zugänglich und sagte, dass die Flüchtlinge erst mal eine Unterstützung finanzieller Natur brauchen. Wobei die ukrainische Mutter sagte, sie hätte noch ein Konto. Sie hatte auch eine Kreditkarte dabei, so dass sie Kleinigkeiten hätte bezahlen können. Sie stand in der Ukraine auch in Lohn und Brot, ihr Mann auch. Auf jeden Fall ging es dann beim Sozialamt relativ schnell und unkompliziert.
Am nächsten Tag hatten wir dann einen Termin im Bürgerbüro. Dort ging es auch völlig unkompliziert. Es wurden die Pässe vorgelegt, dass sie erst mal registriert werden. Die Familie hatte keine Geburtsurkunden von den Kindern dabei, aber auch das war kein Problem. Da wurden die Pässe mit irgendeinem Google-Programm übersetzt und fotografiert. Das ging alles wirklich einwandfrei. Am nächsten Tag hatten wir dann noch einen Termin, um der Familie ein bisschen Geld zur Verfügung stellen zu können, damit sie sich einrichten und für die Kinder das Notwendigste kaufen kann. Also das lief wirklich gut.
DOMRADIO.DE: Was meinen Sie denn, wie lange Sie die Familie noch beherbergen können?
Peter Honvehlmann: Jetzt, wo alles geklärt ist, wo sie auch ihr Auskommen haben – die kriegen ja auch eine Unterstützung, ich glaube, die liegt irgendwo unterm Hartz-IV-Satz ... Die Mutter Olena sagte selbst, dass sie eigentlich hofft, dass sie in acht Wochen schon wieder zu Hause sein kann. Ob das geht steht natürlich in den Sternen, das ist Glaskugel gucken. Aber sie hat ihr Auskommen. Wir haben eine Übernahme von der Miete – zumindest anteilig, so wie ich das verstanden habe – zugesagt bekommen.
Die Nebenkosten werden getragen, denn in dem Haus wohnen noch drei Mietparteien und denen kann ich nicht einfach sagen, ihr müsst jetzt für die Flüchtlinge die Nebenkosten zahlen. Dann gibt es garantiert Ärger. Die würden gerne unterstützen, aber wenn es ums Geld geht, hört der Spaß meistens auf. Wir sind darauf eingerichtet, dass sie länger hier sind. Und aktuell ist das auch überhaupt kein Problem.
DOMRADIO.DE: Wie sehen Sie generell die Stimmung in Deutschland? Man sieht momentan viele Bilder, etwa von Menschen an den Bahnhöfen, die mit ukrainischer Flagge in der Hand Flüchtlinge aufnehmen wollen. Aber es gab ja mal eine andere Situation 2015, als der Syrien-Krieg tobte...
Peter Honvehlmann: Ja, das ist natürlich eine gefährliche Frage. Ich lerne gerade dazu. Diese Flüchtlinge sind so, wie ich sie mir vorstelle: Frauen, Kinder, Mütter, Alte, die wirklich vor dem Krieg davonlaufen und einfach Hilfe brauchen. Ich persönlich habe mich 2015 stark zurückgehalten, weil ich mir nicht vorstellen kann, meine Familie und meine Lieben irgendwo im Kriegsgebiet zurückzulassen und selber zu flüchten. Das kann ich mit meinen Werten nicht vereinbaren.
Diese Flüchtlinge jetzt, das sind Leute, für die man jegliches Verständnis hat. Das sind junge Mütter, junge Familien, die einfach aus einem Kriegsgebiet fliehen, die nie zur Ruhe kommen wollen, die wirklich Probleme haben, Angst um den Vater haben... Ich finde es gut und richtig, dass wir sie aufnehmen und ihnen helfen.
DOMRADIO.DE: Zusammen mit Ihrer Schwester haben sie das getan, was zurzeit viele Familien in Deutschland tun – Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen und ihnen helfen, durch die schwere Zeit zu kommen. Vielen Dank für die Hilfe und das Gespräch und richten Sie bitte Ihre neuen Mitbewohnerinnen unseren herzlich Gruß aus.
Peter Honvehlmann: Ja, werde ich machen, die freuen sich auf jeden Fall. Der Junge ist schon beim Judo angemeldet und hat ein Fahrrad gekriegt. Der Kleine ist mit seinem Laufrad jeden Tag unterwegs. Die Kinder kommen jetzt zur Ruhe. Und die Mutter ist wirklich froh und dankbar, dass sie hier sein kann.
Das Interview führte Oliver Kelch.