Warum Hamburgs Erzbischof Thissen mit gegen Neonazis demonstrierte

Als Christen gefragt

Hamburgs katholischer Erzbischof Werner Thissen nahm am Samstag am Protest gegen den geplanten Neonazi-Aufmarsch in Lübeck teil. "Christsein und sich politisch betätigen gehören zusammen", erklärte der 73-Jährige vorher im domradio.de-Interview.

 (DR)

domradio.de: Wie genau beteiligen Sie sich an den Protesten? (Das Gespräch wurde bereits am Freitag geführt, Anm. d. Red.)

Thissen: Ich werde in der evangelischen Marienkirche einen Gottesdienst feiern. Ich hoffe, dass viele kommen. Denn Christsein und sich politisch betätigen gehören zusammen, das lässt sich nicht trennen. Es geht ja gegen Rechtsextremismus vor allem Fremdenhass - beides ist direkt gegen das Evangelium: die Fremden zu hassen. Die Fremden muss man aufnehmen. Es geht aber auch bei den rechten Agitatoren gegen Völkerverständigung und Solidarität in Europa und in der Welt. Da sind wir als Christen einfach gefragt.



domradio.de: Wie wichtig ist es, dass Sie als Erzbischof von Hamburg für die katholische Kirche Flagge zeigen?

Thissen: Wir haben ja in Lübeck im vergangenen Jahr die Seligsprechung der drei Kapläne erlebt und das ehrende Gedenken für den evangelischen Pastor. Im Grunde haben die vier Märtyrer uns noch einmal gezeigt, wie wichtig es ist, gegen Menschenfeindlichkeit vorzugehen - ob in der Politik oder Gesellschaft. Wenn in der heutigen Zeit wieder Parolen wie zur Zeit des Nationalsozialismus aufkommen, fühle ich mich einfach verpflichtet.



domradio.de: Stehen die Proteste in diesem Jahr im Schatten der Zwickauer NSU-Mordserie?

Thissen: Ich hoffe, dass viele zusammenkommen. Einmal aus den Kirchen, aber auch aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen. Gerade die Verbindung aus Gottesdienst und anschließender Demonstration passt so gut zusammen.



domradio.de: Über morgen hinaus - wie wichtig ist Engagement gegen Rechtsextremismus im Alltag?

Thissen: Ich bin überzeugt, dass Aktionen wie die in Lübeck am Samstag ein guter Impuls für einen Einsatz im Alltag gegen Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit sind. Eine solche Aktion soll Menschen aufrütteln, das nicht nur an dem einen Tag zu tun, sondern auch im Alltag wieder aufs Neue.



Hintergrund: Erzbischof Thissen hält am Samstag (31.03.2012) zunächst eine Ansprache im Rahmen eines ökumenischen Gebets für Frieden und Toleranz in der Lübecker St.  Marienkirche. Anschließend wird sich der Erzbischof auch an der Gegen-Demonstration beteiligen. Das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht hatte die geplante Demonstration von Neonazis am Donnerstag erlaubt.



Das Gespräch führte Christian Schlegel.