domradio.de: Die profanste Lösungsmöglichkeit könnte so aussehen, dass ja viele Kirchenwände von Kerzenruß geschwärzt sind. Vielleicht haben die schwarzen Madonnen einfach zu nah am Feuer gestanden?
Prof. Dr. Manfred Becker-Huberti (Brauchtumsforscher): Das ist viele Jahre lang die Theorie gewesen. Aber gegen die Theorie spricht, dass diese Schwarzfärbung meistens nur die Hände und das Gesicht betroffen hätte. In Wirklichkeit sind aber die ganzen Plastiken schwarz.
Dass es durch Ruß passiert ist, ist eine Theorie. Die andere ist, sie sind angestrichen worden. Die dritte Theorie besagt, dass das Holz dunkel war oder nachgedunkelt wurde. Was es nun wirklich ist, ist bis heute ungeklärt. Es ist noch ein Forschungsobjekt.
domradio.de: Angenommen man hat das mit Absicht gemacht: Die Heiligen Drei Könige werden mit verschiedenen Hautfarben dargestellt, einer von ihnen steht mit dem dunklen Gesicht für den schwarzen Kontinent. Könnte das der Grund auch für die Madonnen sein?
Becker-Huberti: Nein, denn die Madonna ist dann ausschließlich schwarz dargestellt und repräsentiert nicht noch die anderen Hautfarben und Kontinente. Die Schwarzfärbung ist ein Phänomen, das erstmalig im 13. Jahrhundert auftritt. Vorher gibt es keine schwarzen Madonnen.
Sie sind fast ausnahmslos aus Holz und sie haben einen gleichen Typ, der dargestellt wird. Sie sind etwa 70 cm hoch, sitzend. Das Jesuskind steht auf dem Schoß, segnet mit der Hand oder hält einen Apfel und hat das Gesicht eines Erwachsenen. Die Madonna schaut relativ starr mit großen Augen nach vorne, das Ganze in Schwarz. Das war faszinierend für die Menschen damaliger Zeit und ist es bist heute geblieben.
domradio.de: Kann man die Farbe Schwarz aus der Bibel begründen? Vielleicht als etwas Mystisches, weil es im Dunkeln verborgen ist?
Becker-Huberti: Das hat weniger mit dem Mystischen des Verborgenen zu tun. Wahrscheinlich hat es mit dem Hohenlied (Hld 1,5) zu tun. Da heißt es: "Nigra sum sed formosa" - "Ich bin dunkel, aber schön", sagt eine Königin von sich. Das Dunkle-und-Schöne war für die Menschen früher faszinierend anders. Schön war man, wenn man blond und germanisch aussah. Mit der Schwarzen Madonna haben wir einen Rückblick auf das, was dem Germanischen vorausgeht, das Ursprüngliche, das Alte.
Maria wird ja hier bei uns gar nicht in dieser Gestalt als jüdische, als semitische Frau dargestellt. Vielleicht ist es auch ein Hinweis darauf, dass man in Maria die Jüdin wiedererkennt.
Das Gespräch führte Tobias Fricke.