Seit Corona ist "Schluss mit lustig". Das merken vor allem die Comedians, die die Bespaßung zu ihrem Job gemacht haben. Das Coronavirus trifft diese Branche doppelt: Erst bei einem Bühnenauftritt vor Livepublikum springt der Funke über, der den nächsten Knaller zündet. Lachen mit Maske und vor ausgedünnten Sitzreihen - oder gar in Autos wie im vergangenen Frühjahr - sind Stimmungskiller. Immer mehr Künstler sprechen über die Depression, die sie im Lockdown befiel. Der Autor und Stand-Up-Komiker Felix Lobrecht begab sich sogar in therapeutische Behandlung.
Angestaute Frustrationen
Zwar gilt die Lachtherapie mittlerweile als anerkannte Entspannungstechnik in der Heilmedizin. Bei dieser Klientel dürfte sie aber wohl kaum anschlagen. Lobrechts Kollege Michael Mittermeier verspottete zu Beginn der Epidemie den Lockdown noch als "Lachdown". Aber selbst dieser hartgesottene Spaßprofi rutschte in ein nachhaltiges Stimmungstief, aus dem er sich nur mühsam wieder herausarbeitete.
Roberto Blancos ewiger Gute-Laune-Hit "Ein bisschen Spaß muss sein" klingt unter Covid-9-Bedingungen wie ein Protestsong, den man sich nur noch im stillen Kämmerlein vor sich hin zu summen traut, weil man fürchtet, für taktlos gehalten zu werden. Dabei steckt im Witz ein großes anarchisches Widerstandspotenzial.
"Humor ist, wenn man trotzdem lacht", schrieb der Lyriker Otto Julius Bierbaum. Und auf das Wörtchen "trotzdem" kommt es letztlich an. In Diktaturen, wo der politische Witz verboten ist, gedeiht er umso geistreicher und schärfer. Er ist das Ventil für angestaute Frustrationen und hilft bei der Verarbeitung absurder Realitäten.
Besonders intensive Feiern nach überstandener Not
Die Geschichte zeigt, dass Karneval nach überstandener Not und Entbehrung besonders intensiv gefeiert wurde. Aufgehoben sein im Kollektiv: Diese Rückversicherung in einer Gemeinschaft Gleichgesinnter hat uns das Coronavirus mit all seinen Spielarten erst einmal genommen. Während ein Krieg oder eine Umweltkatastrophe die Menschen eher zusammenrücken lässt in ihrer Bedrängnis, zwingt uns Corona in die Vereinzelung. Es bedroht unterschiedliche Menschen in unterschiedlichem Maße, treibt einen Keil zwischen uns. Es ist erstaunlich, wie alle Gags, die über Corona und unsere Lage gerissen werden, letztlich ins Leere laufen.
Lachen ist ein Ventil. Für diese Ventilfunktion steht kein anderes Brauchtum so sehr wie der Karneval. Als im Februar 1991 wegen des ersten Golfkrieges die Rosenmontagszüge abgesagt wurden, schimpfte ein Bonner Jeck, dieser Krieg würde "auf dem Rücken der Bonner Karnevalisten ausgetragen". Das zeigt, wie sehr sich das Zentrum der Welt in der närrischen Zeit in die eigene Befindlichkeit verlagert. Es ist inzwischen längst nicht nur der Krieg, sondern auch das gesellschaftliche Klima unter Corona, die uns den Verzicht auf die Geselligkeit aufnötigen. Der Karneval 2020/21 wurde wegen der Pandemie abgesagt. In der Saison davor vereitelte ein Sturmtief die Karnevalsumzüge am Rhein.
Dass die Rheinländer und Rheinländerinnen deshalb das Schunkeln oder das Verteilen von "Bützchen" verlernen, ist wohl nicht zu befürchten - das scheint in ihrem Gencode eingeschrieben zu sein. Der sorgte auch dafür, dass man die schwere Zeit zwischen 1914 und 1920 überstand, als der Karneval wegen des Ersten Weltkrieges und der Besetzung des Rheinlandes ausfiel. "Lieder lustigen Inhalts" wurden untersagt, selbst das Werfen von Konfetti und Luftschlangen waren verboten. Auch zwischen 1940 und 1948 mussten die Narren auf ihren Umtrieb verzichten, um ihn danach neu erblühen zulassen.
In den tollen Tagen schlüpfen wir aus unserer alltäglichen Haut in ein buntes Kostüm und werfen uns ins Getümmel, in dessen Schutz wir mit neuen Rollen spielen. Es gehört zu der Groteske der fünften Jahreszeit, dass man ausgerechnet in der Masse seine Individualität ausleben kann. Das wird wiederkommen. Oder wie es der Mainzer Karnevalist Ernst Neger in seinem Lied besang, das zur Hymne des Narrentrostes wurde, als seine Heimatstadt in Schutt und Asche lag: "Heile, heile Gänsje. Es is bald widder gut."