DOMRADIO.DE: Oliver, du bist freier Mitarbeiter bei DOMRADIO.DE. Deshalb kennen und duzen wir uns. Das Bistum Münster hat dich offiziell als Bewerber auf das Diakonenamt angenommen. Wenn alles glatt geht, wirst du in vier Jahren geweiht. Warum geht man in Zeiten der Kirchenkrise diesen Schritt? Warum lässt man sich weihen, wenn so viele austreten?
Oliver Kelch (Freiberuflicher DOMRADIO.DE-Redakteur): Da muss ich ein bisschen in die Vergangenheit gucken. Im Jahr 2018 habe ich angefangen, im Fernkurs in Würzburg Theologie zu studieren. Ich wollte verstehen, warum der Gottesdienst so ist, wie er ist, warum die Historie der Kirche so ist, wie sie ist. Ich wollte einfach mehr über meinen Glauben wissen. Ich wollte die Predigten verstehen, weil ich die häufig überhaupt nicht verstehe.
Vor zwei Jahren kam mitten in diesem Studienprozess die Idee auf, auch irgendetwas mit diesem Studium machen zu können und nicht nur einfach ein bisschen mehr vom Glauben zu wissen. Ich muss auch für die Kirche mehr tun. Aber was kann ich tun? Dann kam für mich der Diakon ins Spiel.
DOMRADIO.DE: Viele müssen sich fast schon rechtfertigen, dass sie im Moment nicht aus der Kirche austreten. Du gehst sogar noch einen Schritt weiter. Musstest du dich auch schon rechtfertigen?
Kelch: Rechtfertigen nicht wirklich. Ich habe lange überlegt. Ist das wirklich der richtige Schritt? Ich arbeite ja Teilzeit in einer Pfarrei, bin im Pfarrbüro tätig, mache ein bisschen Presse, Öffentlichkeitsarbeit. Dann bin ich freiberuflich im DOMRADIO aktiv. Ich habe diverse Projekte begleitet, auch Podcastprojekte, Hörbibel, etc.
Dann kam aber mal irgendwann ein emeritierter Pfarrer auf mich zu, der dann auch sagte: "Hör mal, jetzt sind so schwierige Zeiten, willst du dir das nicht noch mal überlegen? Die Geweihten stehen so dermaßen im Fokus. Wir stehen alle unter Generalverdacht. Man sollte sich das gut überlegen, das, was du vorhast". Das war dann der Moment, wo ich mir sagte: Jetzt erst recht!
DOMRADIO.DE: Trotz aller Skandale und allen Missbrauchs. Ist da nicht eine kleine Stimme im Hinterkopf, die sagt: Willst du das wirklich machen?
Kelch: Wir hören ja viel Negatives über die Kirche. Aber Kirche ist auch nicht nur der, der da oben an der Kanzel steht. Und es sind auch nicht nur die Fälle, die jetzt die ganze Kirche in Misskredit ziehen. Es gibt auch die Basis.
Wir reden von der Basis der Kirche, die weiterhin die Kirche haben möchte. Wenn ich meinen Teil dazu beitragen kann, dass auch in meinem Wohnort Recklinghausen vielleicht mal eine Kirche weniger geschlossen wird, weil dort die Gottesdienstbesucherzahlen zurückgehen und ich vielleicht mit meiner neuen, lockeren Art, die ich dann hoffentlich in fünf, sechs Jahren auch vertreten kann, vielleicht dafür sorge, dass der eine oder andere Gottesdienst wieder besser besucht wird, dann haben wir doch schon viel erreicht.
DOMRADIO.DE: Du steckst im Moment nicht im klassischen Berufsfindungsalter. Warum ist das etwas, was bei dir erst jetzt hochgekommen ist?
Kelch: Ich bin 50 und muss tatsächlich auch ein bisschen Tempo machen. Im Bistum Münster, das ist ja auch von Diözese zu Diözese unterschiedlich, darf man zum Beginn der Ausbildung zum Diakon maximal 54 Jahre alt sein. Ich habe einfach Spaß an liturgischen Diensten, an der Vorbereitung von Gottesdiensten. Ich bekomme auch die Motivation aus der Gemeinde mit.
Wenn ich dann Rosenkranz-Andachten vorbereitet habe oder Kreuzweg-Andachten und die Gemeinde auf mich zukommt und sagt: "Olly, das war so toll! Das war mal eine richtig schöne Andacht. Das ist was für dich", dann bringt das Motivation. Da habe ich dann auch gesagt, das kannst du auch mit 50 machen.
DOMRADIO.DE: Blicken wir auf den Moment der Weihe. Was bedeutet dir das?
Kelch: Das wird sicher für mich persönlich erst mal ein sehr emotionaler Moment werden. Ich werde dann vielleicht, wenn ich dann auf dem Boden liege, sagen: Ich habe ein Ziel vor Augen gehabt, ich habe etwas erreicht.
Und was die spirituelle Seite angeht: Ich denke, ich werde nach all dem, was die Kirche momentan vor Augen hat, einfach meine Begeisterung, die ich spüre, zu transportieren versuchen. Die werde ich nach außen in die Gemeinde geben. Das ist die große Aufgabe, die ich habe.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.