Schon von klein auf ist Anna Marie Kusche fastnachtlich unterwegs. "Zum Rosenmontagsumzug bin ich schon immer gegangen", sagt die 22-jährige Mainzerin. "Schuld" an ihrem aktiven Engagement ist der ältere Bruder. Als der in die Mainzer Ranzengarde eintritt, will die kleine Schwester ein Jahr später auch im ältesten Fastnachtsverein in Mainz mitmachen. Da war sie gerade acht Jahre alt. Ein paar Jahre später wird sie gefragt, ob sie nicht einen Vortrag halten will. Zunächst sei sie davon nicht so überzeugt gewesen. "Ich wurde da eher so reingeschubst, aber es hat dann einfach ganz viel Spaß gemacht, auf der Bühne zu stehen."
Freude am Karneval vermitteln
Die Studentin hatte Blut geleckt. Im Jahr darauf wird sie Sitzungspräsidentin bei der Kadettensitzung, später sogar Prinzessin. Ihre Motivation schöpft die Studentin aus der Freude, die sie ihren Zuhörern mit Vorträgen, Tänzen und als Sitzungspräsidentin bringt. "Es ist schön, den Leuten in der Fastnacht etwas zu erzählen und so den Spaß am Alltag zu vermitteln."
Laut dem "Bund Deutscher Karneval" engagieren sich dort 2,6 Millionen Mitglieder in 5.200 Vereinen. Davon sind 700.000 Jugendliche. Die älteste Narrenvereinigung Deutschlands - die Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte - zählt über 50.000 Zunftmitglieder.
Uniformen spielen auch im Leben von Matthias Kunle eine wichtige Rolle. Allerdings trägt er diese nicht nur in der Fastnachtszeit. Er ist Mitglied im Historischen Grenadiercorps im baden-württembergischen Villingen-Schwenningen. In den Verein wurde er quasi hineingeboren. Der Vater ist erster Vorsitzender, sein Großvater Gründungsmitglied. "Ich bin da reingewachsen, wurde als Kind immer mitgenommen." Dass der Sohn und Enkel dem Verein auch nach dem Kindesalter weiterhin treu blieb, ist nicht selbstverständlich. "In der Pubertät entwickelt man ja seinen eigenen Kopf." Aber der Elektroingenieur blieb dabei.
Brauchtumspflege
Rund 1,5 Millionen Mitglieder wie Kunle zählen der Deutsche Trachtenverband und die Deutsche Trachtenjugend. Das Grenadiercorps ist aber kein reiner Trachtenverein. Zwar gehört die Brauchtumspflege und, damit verbunden, der Erhalt von Trachten und Traditionen nach wie vor zu den Vereinsaktivitäten. So nimmt das Corps an Trachtentreffen teil oder sorgt dafür, dass der im 17. Jahrhundert bekannte Brauch des Neujahrsschießens wieder auflebt. Das Hauptaugenmerk der Aktivitäten in Villingen-Schwenningen liegt aber auf dem Reenactment - der Neuinszenierung geschichtlicher Ereignisse.
So wandern die Mitglieder in ihren Uniformen auf den Spuren Napoleons und sind in ganz Europa unterwegs. Für Kunle macht das den besonderen Reiz seines Hobbys aus. "Wir kommen viel rum und haben viele befreundete Vereine." Völkerverständigung der anderen Art. "Tradition verbindet eben."
Vielen Vereinen geht dennoch der Nachwuchs aus, gerade das Alter zwischen 18 und 25 fehlt. "Das ist auch bei uns ein problematisches Alter", erklärt Robert Garmeister, der beim Deutschen Schützenbund (DSB) für die Verbandsentwicklung zuständig ist. Vor fünf Jahren startete der Verband deshalb eine Mitgliederentwicklungskampagne. Auf der Internetseite www.ziel-im-visier.de könnten sich die Vereine Anregungen und Tipps für die Mitgliedergewinnung holen. Die Seite verspricht geballte Informationen darüber, wie Vereinsmitglieder noch enger gebunden und neue gewonnen werden können. Auch mit der Auszeichnung "Immaterielles Kulturerbe" und den Medaillenerfolgen bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro wirbt der DSB.
Freizeitaktivität
Genug Nachwuchs gibt es bei der Garde der Gernsheimer Weiberfastnacht in Südhessen, wo Lena Illig seit vielen Jahren tanzt und auch die Kleinsten mittrainiert. Von einer Freundin habe sie damals von der Gruppe erfahren. Seit mittlerweile 17 Jahren steht sie jedes Jahr auf der Bühne. "Ich tanze einfach gerne." Hinzu kommt, dass dabei auch "Köpfchen" gefragt sei. "Man muss sich die Schrittfolgen merken, das fordert heraus." Der Zusammenhalt und das Miteinander im Verein sind ein weiterer Anreiz für Illig mitzumachen. "Man lernt sehr viele nette Leute kennen und ist integriert, was im Zeitalter der Technik sehr wichtig ist."
Seit 2008 trainiert sie auch die Minigarde mit. "Es machte einen stolz und glücklich, die Fortschritte der Kleinen zu sehen und sie soweit zu fördern, dass sie den Sprung in die Jugendgarde schaffen." Auch wenn es oft anstrengend ist, die 23-Jährige kommt immer direkt von der Arbeit zum Training, "der Spaß und die Freude daran, ist es mir wert". Ihr Umfeld reagiert zumeist positiv auf ihr Engagement, erzählt sie. Nur der Probentermin rufe bei einigen manchmal Kopfschütteln hervor. Immerhin trainieren die Gardegruppen freitagabends - dann, wenn junge Menschen sich mit Freunden treffen.
Mittlerweile hätten sich ihre Freunde aber daran gewöhnt. "Ich kann ja auch noch nach dem Training um 21 Uhr mit ihnen weggehen."