DOMRADIO.DE: Passt Macht denn zur Kirche? Hat Bischof Timmerevers seinen Machtanspruch verteidigt?
Daniel Heinze (Moderator der Reihe "SachsenSofa"): Oh, da hat er ganz schön hin und her laviert, hatte ich den Eindruck. Es war eine spannende Diskussion, aber als es um Macht und Kirche ging, hat Bischof Timmerevers erst einmal sehr theologisch argumentiert. Also dass das, was Kirche da repräsentiert, im Grunde nicht von dieser Welt ist, sondern eine Art transzendenten Anspruch hat.
Als ich ihn dann darauf angesprochen habe, dass Kirche ganz konkret Macht ausübt, intern und auch in die Welt hinaus, hat er das natürlich eingeräumt und auch die Fehleranfälligkeit der Struktur der katholischen Kirche erwähnt, hat aber tatsächlich nicht von sich aus diese Macht dargestellt, sondern ging erst mal davon aus, dass weltliche Macht wie sie in der Politik ausgeübt wird, was ganz anderes sei als die Macht von Kirche.
DOMRADIO.DE: Wolfgang Schäuble hat ebenfalls an der Diskussionsrunde teilgenommen. Er ist evangelisch. In seiner Kirche ist die Macht eher geteilt. Ein Gremium fällt da die Entscheidungen. Hat er dem Bischof vielleicht eine Synode empfohlen?
Heinze: Ich habe wirklich versucht, ihn mehrfach dahin zu drängen und zu fragen, weil er tatsächlich sehr ehrlich und aufrichtig darüber gesprochen hat, dass er mit viel Demut und mit viel Sorge in die katholische Kirche blickt und sieht, was da auch an Vertrauensverlust und an Machtmissbrauch da ist. Aber er hat dezidiert gesagt, er möchte da keinen Tipp geben, weil er sich als Politiker nicht dazu berufen sieht.
Er hat dann aber doch durch die Hintertür einen Tipp gegeben. Als evangelischer Christ hat er gesagt: Also meiner Kirche würde ich empfehlen, dass sie da sehr klar aufräumt mit dem, was im Argen liegt und sich auf der anderen Seite auch darauf besinnt, dass es tatsächlich um eine größere Sache geht als um Macht, Posten und Postengeschacher. So richtig aus der Reserve locken hat er sich aber nicht.
DOMRADIO.DE: Hat er gesagt, ob sein Glaube in politische Prozesse mit reinspielt oder ob er das strikt voneinander trennt?
Heinze: Ganz klar. Das war ein sehr bewegender Moment gestern Abend. Er hat sehr, sehr deutlich gesagt, dass der Glaube ein zentraler Punkt in seinem Leben ist. Ein Zuschauer hatte gefragt, wie das denn sei mit dem Glauben, und er hat das erst mal mit einem Ja beantwort und dann mit einer längeren Pause wirken lassen. Der Glaube sei zutiefst Grundlage für seine Entscheidungen, auch wenn er das vielleicht nicht immer raushängt, sei es als Minister in großen Aufgaben oder jetzt als Bundestagspräsident. Er würde sich immer daran orientieren oder das sei immer die Mitte seiner Entscheidungen gewesen. Das hat er sehr deutlich gemacht.
DOMRADIO.DE: Wer die Macht, wer das Sagen hat, der steht im Mittelpunkt - egal ob in Politik oder Kirche. Man muss deswegen auch viel Kritik aushalten. Will sagen, es ist nicht immer der angenehmste Job. Das musste sicher auch die Zwickauer Oberbürgermeisterin Constance Arndt (Bürger für Zwickau) eingestehen, oder?
Heinze: Absolut. Sie ist relativ neu im Job, muss man sagen. Sie ist erst seit November 2020 Oberbürgermeisterin und ist im Vergleich zu den beiden anderen auf dem Podium eine Newcomerin in Sachen Macht. Sie hat aber auch schon erlebt, wie es ist, wenn man plötzlich in Verantwortung steht. Zwickau ist die viertgrößte Stadt in Sachsen und dementsprechend sind dort viele Prozesse, die gemanaged werden wollen. Aber es gibt natürlich auch unbequeme Sachen: Das Image der Stadt Zwickau ist ja nicht das Beste, ich sage nur Reichsbürger, NSU und solche Geschichten. Und es gibt eine ganze Menge Gegenwind, den sie auch jetzt schon gespürt hat.
Sie hat aber interessanterweise Herrn Schäuble zugestimmt, als er zu mehr Gelassenheit bei solch aufgeregten Debatten aufgerufen hat. Man müsse das ernstnehmen, was all diese Entwicklungen betrifft, sollte sich aber nicht aus der Reserve locken lassen und zu schnell aufgeregt und hektisch dagegenhalten, sondern ihnen mit einer gewissen Gelassenheit und Souveränität begegnen. Das hat sie auch ausgestrahlt, so mein Eindruck.
DOMRADIO.DE: Jetzt wissen wir ja, Kirche ist in einer Vertrauenskrise, in diesem extremen Ausmaß ungefähr seit rund zehn Jahren. Sieht der Dresdner Bischof einen Ausweg daraus, hat er eine Lösung parat?
Heinze: Er hat sehr - und das war ein sehr klares Bekenntnis - auf den Synodalen Weg in Deutschland gesetzt und auf die Synoden und auf die Maßnahmen, die jetzt in der katholischen Kirche weltweit passieren sollen. Er ist da sehr in dem tiefen Vertrauen unterwegs, dass das ein richtiger Weg ist, der mit ein bisschen Wirken des Heiligen Geistes eine ordentliche Lösung zutage bringen wird.
Er hat klargemacht, dass das auch nicht ausschließlich in den Händen der Menschen liegt. Im Zweifelsfall ist der Glaube das, was die Kirche überdauert, so kam es ein bisschen raus bei ihm. Er sieht das und vertraut auf das Wirken des Heiligen Geistes. Im ganz konkreten politischen Tagesgeschäft bei Kirche, würde ich sagen, setzt er voll auf die Karte "Synodaler Weg".
Das Interview führte Tobias Fricke.