Was ist von der vierten Synodalversammlung zu erwarten?

Reformwunsch und verhärtete Fronten

In Frankfurt tagen ab Donnerstag zum vierten Mal die 230 Delegierten des Synodalen Weges. Die Hoffnungen auf Reformen sind groß, aber genau so tief sind die Gräben – nicht nur innerhalb des Plenums, sondern auch mit dem Vatikan.

Dritte Synodalversammlung der deutschen Katholiken / © Sebastian Gollnow (dpa)
Dritte Synodalversammlung der deutschen Katholiken / © Sebastian Gollnow ( dpa )

DOMRADIO.DE: Vierte Synodalversammlung. Vor zweieinhalb Jahren war der Prozess noch etwas komplett Neues. Ist inzwischen Routine eingekehrt?

Renardo Schlegelmilch / © Martin Biallas (DR)
Renardo Schlegelmilch / © Martin Biallas ( DR )

Renardo Schlegelmilch (DOMRADIO.DE-Reporter beim Synodalen Weg): In der Tat. Vor allem nach den ganzen Planänderungen durch die unerwartete Corona-Pandemie. Die erste Synodalversammlung hat noch in der Aula eines alten Klosters in der Frankfurter Innenstadt stattgefunden, das war im Januar 2020. So eng wie man da zusammenkam, war das natürlich später undenkbar.

Die Treffen wurden dann erst einmal auf Eis gelegt. Im Herbst 2020 gab es fünf Regionalkonferenzen als Ersatz, aber ohne Abstimmungen, nur mit Diskussion. Und ab Herbst 2021 ging es dann mit den Veranstaltungen im aktuellen Format los. Also: in der Frankfurter Messe, alles mit großen Abständen. Letztes Mal auch noch mit strengen Corona-Regeln. Davon ist jetzt zur vierten Synodalversammlung in der Ankündigung aber keine Rede mehr.

DOMRADIO.DE: Wie sieht es inhaltlich aus? Da weiß man ja inzwischen auch, was von den Delegierten zu erwarten ist.

Schlegelmilch: Genau, und das ist auch ein ganz großer Vorwurf der konservativen Seite. Es gibt eine klare Mehrheit für tiefgehende Reformen der Kirche, für Frauenweihe oder Änderungen beim Zölibat. Anfangs wurde da – mein Eindruck – noch offener drüber diskutiert. Nun ist klar, wer auf welcher Seite steht, und man spricht eher zum eigenen Publikum.

Von der konservativen Seite ist es deshalb meistens auch ziemlich ruhig. Man weiß halt, dass man im Plenum keine Mehrheit hat. Es gibt allerdings auch ein paar Ausnahmen wie Regensburgs Bischof Rudolf Voderholzer oder Dorothea Schmidt von Maria 1.0, die lautstark für ihre Meinung eintreten.

Was die Bischöfe angeht, die ja die Hälfte der Synodalversammlung ausmachen, habe ich den Eindruck, dass es eine große schweigende Mehrheit gibt, abseits der Wortführer von links und rechts, die keinen Ärger wollen, im Plenum nichts sagen, aber bei der Abstimmung eher in die konservative Richtung votieren.

DOMRADIO.DE: Eigentlich sollte jetzt ja schon der Abschluss des Prozesses stattfinden, da hat nur die Pandemie einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ende des Prozesses ist Anfang 2023, trotzdem stehen so wichtige Fragen wie kirchliche Sexualmoral ab heute auf der Tagesordnung. Was kann dabei konkret herauskommen?

Schlegelmilch: Geändert werden kann nur, was sich rein auf die deutsche Ebene bezieht und weder Auswirkungen auf die Weltkirche noch auf die katholische Lehre hat. Also: Zölibat abschaffen oder Frauenweihe einführen steht definitiv außer Frage. Darüber wird trotzdem abgestimmt, das ist aber nicht bindend, eher eine Handlungsempfehlung an den Vatikan.

Renardo Schlegelmilch

"Zölibat abschaffen oder Frauenweihe einführen steht definitiv außer Frage."

Das heißt aber nicht, dass nichts geändert werden kann. Eine große Frage ist das kirchliche Arbeitsrecht. Müssen homosexuelle Menschen um ihren Job fürchten? Da gibt es den großen Wunsch nach Änderungen, auch bei vielen Bischöfen. Da das nicht zwingend mit einer Änderung der Lehre verbunden ist, könnte das umgesetzt werden. Aber auch hier gilt: Am Ende ist immer jeder Bischof für sein eigenes Bistum verantwortlich. Das heißt, ob die Änderungen überall auch eingeführt werden, steht auf einem ganz anderen Blatt.

DOMRADIO.DE: Im Sommer hat der Vatikan ein Schreiben herausgegeben, das den Synodalen Weg explizit davor warnt, Schritte zu gehen, die mit der Weltkirche brechen. Das ist jetzt die erste Zusammenkunft seitdem. Wird das eine Rolle spielen?

Schlegelmilch. Auf jeden Fall. Die Frage ist, wie die Synodalen damit umgehen. Alle weitreichenden Reformideen des Synodalen Weges können – wie gesagt – nur als Wunsch und Empfehlung an den Vatikan betrachtet werden. Da braucht es sehr viel guten Willen von Seiten Roms, umzusetzen, was sich Deutschland wünscht. Mit dem Brief aus Rom haben wir jetzt das erste Mal schwarz auf weiß, dass der Vatikan den Synodalen Weg sehr kritisch sieht.

Vorher war das eher ein Gerücht, dass mal so, mal so interpretiert wurde. Rom schreibt nun: Ihr dürft nichts an der Lehre ändern, was eigentlich ein riesiges rotes Stoppschild für die Synodalversammlung ist. Wie geht man jetzt damit um? Den Prozess abbrechen oder die Konfliktthemen aus der Diskussion nehmen wird auch keine Probleme lösen. Ich denke, da bewegen wir uns auf einen sehr großen Konflikt zu, dessen Tragweite sicher nicht allen Synodalen so ganz klar ist.

Renardo Schlegelmilch

"Mit dem Brief aus Rom haben wir jetzt das erste Mal schwarz auf weiß, dass der Vatikan den Synodalen Weg sehr kritisch sieht."

DOMRADIO.DE: Gibt es ein Thema abseits der Schlagzeilen, auf das du gespannt bist? Irgendwas, das wir nicht im Blick haben?

Schlegelmilch: Die Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit für die Kirche. Klingt furchtbar langweilig, ist aber ganz wichtig, weil damit die Entscheidungen der Bischöfe in den Bistümern hinterfragt werden können und sie sich gegenüber einem Gremium verantworten müssen. Sprich: Ein Ende der Alleinherrschaft, die im Moment zu Recht von vielen Seiten stark kritisiert wird.

Der Synodale Weg hat einen Arbeitsauftrag dazu an eine Gruppe unter dem Bamberger Erzbischof Ludwig Schick ausgegeben, der auch schon einiges erarbeitet und vorgestellt hat. Nur war der selbst ein wenig irritiert, weil er zu diesem Thema auf eine Rückmeldung aus Rom wartet, die bis zur letzten Synodalversammlung noch ausgeblieben war. Mit so einem Schritt könnte man meines Erachtens viel verändern, auch wenn der eben nicht die großen Schlagzeilen bringt. Und: Dieser Schritt kann problemlos auf deutscher Ebene eingeführt werden, ohne die Weltkirche ins Boot zu holen.

DOMRADIO.DE: Wenn der Prozess im nächsten Frühjahr endet – was denkst du, wird das gebracht haben? Was wird sich ändern?

Ich denke schon, dass sich einiges ändern wird, aber nichts, das dramatische Folgen hat. Man hat sich zum Beispiel auch schon für die Einführung eines "Synodalen Rates", eines neuen Entscheidungsgremiums ausgesprochen, aber wenn wir ehrlich sind, wird auch das auf Dauer nicht viel am Alltag und der Lage der Kirche in Deutschland ändern. Alles darüber hinaus wird – wie gesagt – im Vatikan landen, ohne große Hoffnung auf eine Änderung bei Fragen wie Zölibat und Homosexualität.

Die große Hoffnung der Organisatoren ist, die Ergebnisse in die Weltsynode einzugliedern, den großen Reformprozess auf Weltebene, den Papst Franziskus gerade durchführen lässt. Falls dabei herauskommt, dass es weltweiten Reformbedarf gibt, müsste es ein neues Konzil geben, ein "Drittes Vatikanisches Konzil", das dann in seinen Debatten und Entscheidungen auf die theologische Vorarbeit zurückgreifen könnte, die der Synodale Weg in Deutschland bereits geleistet hat.

Das Interview führte Katharina Geiger.

Synodaler Weg

Der Begriff "Synodaler Weg" verweist auf das griechische Wort Synode. Es bedeutet wörtlich "Weggemeinschaft"; im kirchlichen Sprachgebrauch bezeichnet Synode eine Versammlung von Bischöfen oder von Geistlichen und Laien.

Der Reformdialog Synodaler Weg dauerte von Ende 2019 bis Frühjahr 2023. Dabei berieten die deutschen katholischen Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) zusammen mit weiteren Delegierten über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland.

Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg  / © Julia Steinbrecht (KNA)
Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR