Auf dem höchsten Punkt der Sieben Hügel Roms hat Italiens Staatspräsident seine Residenz. Fast 300 Jahre lang war der Quirinals-Palast Verwaltungssitz der Päpste, bis König Viktor Emanuel II. ihn 1870 nach der Besetzung des Kirchenstaates requirierte. Mit den Lateran-Verträgen und erst recht nach Abschaffung der Monarchie 1946 hat sich das lange gestörte Verhältnis zwischen Italien und Vatikan entspannt. Symbol und Ausdruck der Harmonie ist auch das respektvolle, mitunter herzliche Verhältnis der italienischen Präsidenten mit dem Kirchenoberhaupt.
Sergio Mattarella (80), dessen siebenjähriges Mandat Anfang Februar ausläuft, ist der 12. Präsident Italiens. Mit dem fünf Jahre älteren Franziskus, dem siebten Nachkriegspapst im gerade drei Kilometer Luftlinie entfernten Apostolischen Palast, verbindet den praktizierenden Katholiken ein freundschaftliches Verhältnis. Beim Abschiedsbesuch kurz vor Weihnachten bestätigten beide noch mal die guten Beziehungen zwischen Italien und dem Heiligen Stuhl.
Trennung von Staat und Kirche
Das Verhältnis zwischen der Republik Italien und dem Heiligen Stuhl gilt als einzigartig. Italien habe "die Last und Ehre", den Leitungssitz der katholischen Kirche bei sich zu haben, hatte Franziskus bei seinem Antrittsbesuch im Quirinal gesagt. Seine Amtsausübung wäre nicht möglich "ohne die großzügige Verfügbarkeit und Zusammenarbeit des italienischen Staates". Umgekehrt finde Italien in der Kirche stets den "besten Verbündeten" zur Förderung der Gesellschaft.
Grundlage für diese Beziehungen ist die im Konkordat festgeschriebene "gegenseitige Zusammenarbeit zur Förderung des Menschen und zum Wohl des Landes" - gebunden an das Prinzip der "laicita", als strikter Unterscheidung der Zuständigkeiten von Staat und Kirche. Aber diese Trennung ist nicht feindselig; es gelte eine "positive Laizität", in der man Grundwerte wie Menschenwürde und Menschenrechte, Familie, Solidarität und Frieden teile, betont man.
Beobachter fragen gleichwohl, warum die Kontakte zwischen den Oberhäuptern auf dem Quirinals- und Vatikanhügel oft so freundschaftlich waren; auch über weltanschauliche Gräben hinweg. Aber als Bischof von Rom hat der Papst - unabhängig von seiner Nationalität - ein besonderes Verhältnis zu den zivilen Autoritäten in seiner Diözese. Gleichzeitig ist er, anders als der für die konkrete Diözesanleitung zuständige römische Kardinalvikar, nicht direkt in aktuelle politische Vorgänge mit ihrem Spannungspotenzial involviert. Er kann sich gleichsam auf übergeordneter Ebene mit dem Präsidenten über Wohl und Wehe der Bürger austauschen.
Papst Johannes Paul II. und die Ministerpräsidenten Italiens
Im Gegensatz zu den Ministerpräsidenten, die in Italien bis in die 1980er Jahre hinein von der christdemokratischen DC gestellt wurden, saßen auf dem "colle" (Hügel), wie der Quirinal salopp heißt, auch prononciert laizistische Persönlichkeiten von Liberalen, Sozialdemokraten oder Sozialisten. Eine Folge des Wahlsystems, das die Ergebnisse weniger berechenbar macht als in der deutschen Bundesversammlung. Häufig werden die Top-Kandidaten der Parteien ausgebremst und dann Kompromisskandidaten gesucht. Mit seiner Geheimhaltung, seinen Bündnissen und parteiinternen Flügelkämpfen wird Italiens Präsidentenwahl gerne mit dem Konklave zur Papstwahl verglichen.
Mit dem Sozialisten und Agnostiker Sandro Pertini (1978-1985) verband Papst Johannes Paul II. (1978-2005) eine enge persönliche Freundschaft. Für Aufsehen sorgte ihr gemeinsamer Ski-Ausflug im Sommer 1984 auf den norditalienischen Adamello. Freilich stieg nur der 64-jährige Papst auf die Bretter; der 87-jährige Staatschef applaudierte: "Heiligkeit, Sie fliegen wie eine Schwalbe".
Auch mit dem folgenden katholischen Präsidenten Francesco Cossiga (DC) war der Kontakt freundlich, erst recht mit dem tief frommen Oscar Luigi Scalfaro. Besondere Sympathie verband den Papst aus Polen dann auch mit dem gleichaltrigen parteilosen Ex-Zentralbankchef und Aachener Karlspreisträger Carlo Azeglio Ciampi (ab 1999). Häufig kam der Präsident, meist mit Gattin Franca, zum Meinungsaustausch bei Mittagessen oder Kaffee in den Apostolischen Palast.
Von hoher Wertschätzung geprägt war auch der Kontakt von Benedikt XVI. (2005-2013) und Giorgio Napolitano (2006-2015). Der Theologen-Papst und der gebildete frühere Kommunisten-Funktionär trafen sich immer wieder zum intellektuellen Austausch.
Italien wählt neues Staatsoberhaupt
Ab 24. Januar treten nun die mehr als 1.000 Abgeordneten von Abgeordnetenkammer und Senat sowie von Regionalparlamenten zur Wahl eines neuen Staatsoberhaupts zusammen. Der Ausgang scheint erneut offen. Da die Spitzenkandidaten des rechten wie des linken Lagers kaum Chancen auf die erforderliche Mehrheit haben, spricht manches erneut für einen Kompromisskandidaten aus der Mitte; vielleicht erstmals eine Frau. Wer auch immer aus Italiens "Konklave" hervorgeht: Einer der ersten Auslandsbesuche dürfte in den Vatikan führen; zum Papst, der das Oberhaupt der katholischen Weltkirche ist, weil er Bischof von Rom ist.