Was Menschen zum Wiedereintritt in die Kirche bewegt

"Meistens sind es Momente im Leben"

Es gibt viele Gründe aus der Kirche auszutreten. Genauso viele sprechen aber auch für einen Wiedereintritt, findet Irmgard Conin. Sie begleitet Menschen auf ihrem Weg zurück in die Kirche. Doch wie funktioniert das?

Betende Frau in einer Kirche (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Warum treten Menschen aus der Kirche aus? Was gibt es da für Gründe?

Irmgard Conin (Leiterin der FIDES Glaubensinformation): Die Gründe sind sehr vielschichtig. Es gibt Leute, die eine sehr unmittelbar schlechte Erfahrung gemacht haben, beispielsweise bei einem Ritus wie der Hochzeit oder der Beerdigung der Eltern, wo sie sehr unsensibel behandelt worden sind.

Meistens sind es aber eher längere, schleichende Prozesse, dass Kirche und Glaube einfach keine Rolle mehr im Leben spielen. Dann kommt vielleicht die Kirchensteuer dazu und dann ist man schnell weg. So ein Klassiker sind Studenten, die irgendwann ins Arbeitsleben kommen und merken, sie müssen Steuern zahlen und vorher keine Beziehung zu Kirche gehabt haben. Dann ist das oft der Schritt, der dahinführt.

Irmgard Conin leitet die Katholische Glaubensinformation FIDES in Köln. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Irmgard Conin leitet die Katholische Glaubensinformation FIDES in Köln. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DOMRADIO.DE: Sie haben schon viele Gespräche geführt. Haben Sie die Menschen manchmal auch noch umstimmen können?

Conin: Die katholische Glaubensinformation Fides ist eine Anlaufstelle in Köln, wo Leute sehr unkompliziert wieder andocken können. Meistens finden sie uns im Internet und haben im Grunde oft schon eine bewusste Entscheidung getroffen, dass sie wieder eintreten möchten. Weil sie irgendwo in ihrem Leben an einem Punkt angekommen sind, wo sie merken, jetzt muss ich noch mal klären, auf welcher Basis stehe ich, welche Werte sind mir wichtig und woran halte ich mich fest. Von daher kommen die meisten schon mit dem Impuls, dass sie wieder eintreten wollen.

Aber es gibt auch Leute, die noch zweifeln. Oder die austreten wollen und noch mal ein Gespräch suchen. Und dann kann man versuchen, sie auch noch mal umzustimmen.

DOMRADIO.DE: Was bewegt denn die Menschen, sich doch wieder der Kirche zuzuwenden?

Irmgard Conin

"Als zum Beispiel Franziskus Papst wurde, da gab es einen richtigen Peak. Da sind viele wieder eingetreten, haben gesagt, ja, das ist eine Chance oder da tut sich jetzt was in der Kirche."

Conin: Das kann spontan auch mal eine positive Erfahrung sein. Als zum Beispiel Franziskus Papst wurde, da gab es einen richtigen Peak. Da sind viele wieder eingetreten, haben gesagt, ja, das ist eine Chance oder da tut sich jetzt was in der Kirche.

Meistens sind es aber Momente im Leben. Das kann eine Krankheit sein, das kann der Tod eines Angehörigen sein, das können aber auch ganz schöne Momente sein, wie einen Partner zu finden, heiraten zu wollen oder ein Kind wird geboren, wo man spürt, jetzt muss ich mich nochmal neu verorten, ausrichten. Und da spielt Kirche und Glaube eine Rolle.

Ganz viele Leute sagen dann: Ich möchte wieder dazugehören. Sie meinen dann nicht, ich will jetzt morgen in den Kirchenchor gehen und dann ab jetzt in der Gemeinde 30 Jahre singen. Sondern sie wollen wieder zu einer weltweiten Glaubens- und Wertegemeinschaft gehören, der sie sich verbunden fühlen. Wo sie sagen, da stehe ich auch hinter. Und in dieser vielleicht auch schwierigen Zeit, in der so viel sich bewegt, brauche ich ein Stück Fundament, Sicherheit, Basis, Orientierung.

DOMRADIO.DE: Ich stelle mir das gar nicht so einfach vor. Einerseits die jungen Leute, welche die Kirche im Prinzip ja wiedergewinnen möchte. Andererseits die älteren Menschen. Das sind verschiedene Zielgruppen. Wie gelingt Ihnen das „marketing-technisch“ so unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen?

FIDES Glaubensinformation

Die Katholische Glaubensinformation FIDES ist eine Beratungsstelle für religiös interessierte und suchende Menschen mitten im Herzen von Köln.
Im Domforum (direkt gegenüber dem Dom, 3. Etage) finden Sie einen Ort für Ihre Fragen zum christlichen Glauben und Ihre Anfragen an die Kirche. Im persönlichen Gespräch und an themenorientierten Glaubensabenden haben wir Zeit für Ihre Lebenserfahrungen und Sinnfragen, für Ihre Suche nach einem Platz in der katholischen Kirche, für Ihren Wunsch nach einer vertieften Gottesbeziehung, für Zweifel, Fragen und Kritik …

Wie wird Glaube in Zukunft aussehen? / © marvent (shutterstock)
Wie wird Glaube in Zukunft aussehen? / © marvent ( shutterstock )

Conin: Unser Marketing basiert nicht auf Zielgruppen. Unser Marketing sagt: Hier findet ihr einen unkomplizierten, einfachen, normalen Weg wieder zur Kirche oder auch einen Ort, wo ihr euch mit Fragen des Glaubens auseinandersetzen könnt - in normaler Sprache und ganz niederschwellig. Hier hat man schnell einen Termin. Das ist eigentlich eher unsere Marke.

Das gehört dazu, dass es so unterschiedliche Menschen sind. Das kann der promovierte Jurist sein, genauso wie der Gerüstbauer, wie der Pfleger auf der Intensivstation, wie ein Journalist, der zehn Jahre lang atheistisch unterwegs war.

Besonders beeindruckend fand ich eine Frau, die zu mir in die Beratung kam. Sie ist als Jugendliche von einem Priester missbraucht worden und dann direkt mit 18 Jahren ausgetreten. 30, 40 Jahre später kommt diese Frau und will wieder in die Kirche eintreten. Der Anlass war, dass sie mit ihrem Enkelkind eine Kirche besucht hatte. Sie hat empfunden und erlebt, wie offen, vertrauensvoll und neugierig dieses Kind auf die geistliche Dimension und auf die Spiritualität war und hat sich entschieden, ich möchte mein Enkelkind im Glauben begleiten und das auch als Teil von Kirche. Das sind dann so besonders kostbare Momente und auch sehr berührende Momente.

DOMRADIO.DE: Es gibt viele Menschen, die in vielen Punkten mit der Lehre der katholischen Kirche nicht übereinstimmen. Wie gelingt es Ihnen, diesen Menschen zu begegnen? Denn das können Sie im Moment der Beratung ja nicht entkräften.

Conin: Ich kenne tatsächlich keinen Katholiken, der mit der gesamten Lehre der katholischen Lehre übereinstimmt. Ich finde es sogar notwendig - das steht sogar im Kirchenrecht -, dass man kritisch ist und auch in Manchem nicht übereinstimmt.

Gott sei Dank hat das Zweite Vatikanische Konzil da von einer Hierarchie der Wahrheiten gesprochen. Das heißt, es gibt wichtige Wahrheiten und manche anderer Qualität. Und wenn einer wieder eintritt, spricht man zusammen das Glaubensbekenntnis. Das ist quasi der „Brühwürfel“ des Glaubens, um den es geht. Das ist das Zentrale.

Im Moment ist die Kritik an der Institution ein wichtiger Punkt. Zurecht zweifeln und verzweifeln Menschen an dem, was in der Kirche geschehen ist. Da wäre es fatal, wenn man da nicht eine kritische Einstellung zu hätte. Ich versuche allerdings zugleich noch ein anderes Bild oder eine andere Verbundenheit oder Bezogenheit zur Kirche vorzuschlagen.

Ich spreche dann oft von einem Mannschaftssport, zum Beispiel von einem Fußballspiel, wo ein Mensch auf unterschiedlichen Positionen beteiligt sein kann. Wenn ich ausgetreten bin, dann sitze ich auf der Tribüne, schaue mir das Spiel an und kritisiere die Spieler und den Trainer. Wenn ich aber vielleicht wieder eintrete, wechsle ich die Position und bin dann irgendwie auch Spieler auf dem Platz.

Das heißt, ich habe ein Verständnis, dass ich Teil von Kirche bin und da auch meine Verantwortung habe und meinen Spielraum gestalte und mit dazu beitragen kann, dass etwas vom Evangelium Jesu heute Wirklichkeit werden kann.

DOMRADIO.DE: Was muss ich tun, wenn ich wieder in die Kirche eintreten will?

Conin: Zunächst steht ein erstes Gespräch an. Entweder persönlich im Domforum oder jetzt zu Corona-Zeiten auch per Videokonferenz. Dann wird ein Antrag ausgefüllt. Das heißt, es werden Daten erhoben, damit auch wieder das kirchliche Meldewesen und das Einwohnermeldeamt informiert werden kann.

Und dann gibt es einen kleinen Ritus, dass man den Glauben bekennt und der Priester einem zuspricht: Ich nehme dich wieder in die volle Gemeinschaft der Kirche auf. Dieser Ritus kann im sehr kleinen Rahmen gespendet werden - wir haben ihn auch schon mal am Telefon gespendet - aber normalerweise ist er in der Kirche. Im kleinen Kreis oder einmal im Monat gibt es dazu einen Gottesdienst, die Vorabendmesse in Sankt Andreas. Da ist ein Ort, wo Menschen das auch in einem Gottesdienst tun können, wenn sie wollen. Wir gehen da ganz auf die Wünsche der Menschen ein.

Das Interview führte Jann-Jakob Loos.

Quelle:
DR