Dies könnte im Fall der Eltern von Johannes Paul II. geschehen. Was steckt dahinter?
DOMRADIO.DE: Ist es etwas Neues, dass Eltern von Heiligen auch heiliggesprochen werden?
René Schlott (Historiker aus Potsdam, der sich unter anderem mit der Geschichte der Päpste in der jüngeren Neuzeit beschäftigt): Das ist eines Wissens tatsächlich etwas Neues. Ich habe auch mit einiger Verwunderung die Nachricht zur Kenntnis genommen, dass darüber nachgedacht wird, ein Seligsprechungsverfahren für die Eltern von Johannes Paul II. zu initiieren. Dass es Legenden über die Eltern von Päpsten gibt, ist klar. Dass sie meistens in sehr ärmlichen Verhältnissen groß geworden sind, dass es sehr bescheidene Eltern sind, die alles für die Bildung ihres Sohnes getan haben, der dann später dann später zum Papst aufsteigt, ist nichts Neues in der Geschichte des Papsttums. Aber dass jetzt zum ersten Mal tatsächlich die Eltern eines Papstes heiliggesprochen werden sollen, ist doch etwas Neues.
Wir sind aber noch im allerersten Stadium dieses Verfahrens. Es ist von der polnischen Bischofskonferenz bisher nur beschlossen worden, in Rom einen Antrag auf Eröffnung des Verfahrens zur Seligsprechung zu stellen. Wir sind noch in einem sehr frühen Stadium dieses doch langen und komplizierten Verfahrens. Noch ist die Heiligsprechung in weiter Ferne.
DOMRADIO.DE: Vorangetrieben hat es der emeritierte Erzbischof von Krakau. Kardinal Dziwisz war lange der persönliche Sekretär von Johannes Paul II. Er hat sich bereits im vergangenen Jahr für eine Seligsprechung der Eltern ausgesprochen. Es gebe keinen geringsten Zweifel daran, dass sich seine geistige Haltung dank des Glaubens seiner Eltern in seiner Familie gebildet habe, so ein Ausspruch von Dziwisz. Wenn man das konkret zu Ende denken würde, dann müsste das doch heißen, dass man die Eltern so gut wie jedes Heiligen oder Seligen auch in den Prozess einbeziehen müsste, oder?
Schlott: Das ist vollkommen richtig. Es zeigt aber auch die Absurdität dieses Vorschlags. Es ist kein Zufall, dass dieser Vorschlag gerade von Kardinal Dziwisz kommt, einem der engsten Vertrauten von Papst Johannes Paul II. Er selber hat das ja letztes Jahr im Juli vorgeschlagen.
Aber unter folgenden Umständen ist das doch ganz interessant: Er hat zunächst gesagt, dass viele Anfragen an ihn herangetragen worden seien. Auch zu seiner Zeit als Erzbischof von Krakau hätten viele Gläubige vorgeschlagen, ein solches Verfahren zu eröffnen. Er hat diese Seligsprechung bei einer Messe zu Ehren der Heiligen Joachim und Anna vorgeschlagen. Das sind die Eltern der Heiligen Jungfrau Maria gewesen. Es werden also auch sehr interessante Kontinuitätslinien gezogen. Es gibt die Geschichte der Heiligen Familie, das ist die Familie Jesu. Es gibt aber auch die Eltern von Maria, die gleichfalls als Heilige verehrt werden oder die Heiligen Eltern der Therese von Lisieux.
Hier scheint also eine lange Kontinuitätslinie wieder aufgemacht werden zu sollen. Das ist ganz interessant, aber zu unserer Zeit etwas ungewöhnlich.
DOMRADIO.DE: Kann es nicht auch ein Zeichen für die Bedeutung der Familie, für den Wert der Erziehung setzen? Kann das nicht auch etwas Positives bringen?
Schlott: Das ist ja auch die Absicht von Kardinal Dziwisz. Jede Heiligsprechung, jede Seligsprechung und jedes Verfahren dazu ist immer auch ein Politikum. Es muss immer auch vor den jeweiligen Fragen der Zeit gesehen werden.
Insofern ist es, glaube ich, kein Wunder, dass nun gerade in Polen der Vorbildcharakter dieser Familie hervorgehoben wird. Denn auch in Polen ist die traditionelle Familie von Vater, Mutter und Kind auch unter Beschuss geraten. Dies geschieht trotz einer konservativen Regierung und trotz der starken Stellung der Kirche. Ich glaube, es ist kein Zufall, dass man gerade jetzt eine Familie eines sehr prominenten Polen und die besondere Vorbildwirkung eben dieser noch stärker hervorheben möchte.
DOMRADIO.DE: Sie beschäftigen sich mit der neueren Geschichte der Päpste. Wenn man von Johannes Paul II. nun auf Franziskus schaut: Denken Sie, er wird ein Fürsprecher dieses Seligsprechungsverfahrens sein oder dem eher kritisch gegenüberstehen?
Schlott: Ich könnte mir gut vorstellen, dass er dem positiv gegenübersteht. Auch er betont den Wert der Familie. Er ist ja derjenige, der auch das Heiligsprechungsverfahren für die Eltern der Heiligen Therese von Lisieux positiv beendet hat.
Wenn man sich nun aber die Biografien der Elternpaare anschaut, dann gibt es in den Biografien der Eltern von Therese von Lisieux Anhaltspunkte, wo man mit viel gutem Willen und mit viel Interpretationskunst tatsächlich bestimmte Voraussetzungen, bestimmte Merkmale für eine Selig- oder Heiligsprechung erkennen kann.
Ich habe mir auch einen kurzen Überblick über die Biografie der Eltern von Johannes Paul II., Karol und Emilia Wojtyla, verschafft. Ich sehe da jetzt noch keine Anhaltspunkte. Natürlich wird das ein langes Verfahren sein, in dem das ganze Leben aufgerollt wird. Aber dass hier eine besondere religiöse Bindung über den Katholizismus und über das normale Praktizieren des Glaubens hinaus bestehen, sehe ich nicht.
Der Vater von Karol Wojtyla war lange Unteroffizier in der "K und K-Armee", später dann Offizier der polnischen Armee. Er hat keine großen religiösen Bezüge. Die Mutter hat nach unterschiedlichen Quellen einmal als Schneiderin, einmal als Lehrerin gearbeitet. Sie hat eine religiöse Schule besucht, aber darüber hinaus auch keine starken religiösen Bezüge. Da muss, glaube ich, von der polnischen Bischofskonferenz und den entsprechenden Gremien noch eine Menge Arbeit geleistet werden, um die Würde der Seligsprechung ein Stück weit herauszustellen.
Abgesehen davon gibt es bereits eine kleine Verehrung für die beiden Elternteile von Johannes Paul II. Einige Straßen wurden schon nach ihnen benannt und das Grab in Krakau ist tatsächlich auch schon der Ausgangspunkt einer Verehrung. Es gibt also schon eine lokale Verehrung, die ja auch eine wichtige Voraussetzung für ein Seligsprechungsverfahren ist.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.