Was verborgene Türen über den Kölner Dom verraten

Hinter verschlossenen Türen

Der Besucherstrom ergießt sich durch die Hauptportale des Kölner Doms. Aber was verbirgt sich hinter den vielen kleinen Nebentüren von Deutschland Touristen-Attraktion Nummer eins?

Der Kölner Dom hat über 350 Türen / © Matthias Jung (KNA)
Der Kölner Dom hat über 350 Türen / © Matthias Jung ( KNA )

Es gehört zur Aufgabe von Matthias Deml, Journalisten durch den Kölner Dom zu führen. Der Sprecher der Dombauhütte kennt fast jeden Winkel. Doch beim Thema dieser Tour zögert er etwas. Wohin gehen? Der Kunsthistoriker soll zu Türen des gotischen Bauwerks führen - und vor allem jene öffnen, die für die Allgemeinheit verschlossen sind.

Dom in Zahlen

Deutschlands Sehenswürdigkeit Nummer Eins lässt sich in viele Zahlen fassen: 1248 wurde der Grundstein an der Stelle einer Vorgängerkirche gelegt. Mittelschiff, Querhäuser und Seitenschiffe wuchsen bis etwa 1520, bevor Geldmangel und erlahmendes Interesse im Zeitalter von Reformation und Gegenreformation den Bau stoppten. Erst im 19. Jahrhundert wurde der rund 145 Meter lange Bau vollendet. 1880 kam der Schlussstein auf den 157,31 Meter hohen Südturm. Ungefähr 300.000 Tonnen Steinmasse stecken im Gebäude - und mehr als 350 Türen.

Diese bekommen die täglich rund 20.000 Besucher kaum zu Gesicht. Sie gelangen zumeist über eines der großen Portale ins Innere. Und beim Stichwort "Türen" kommen auch Deml zunächst diese neun schweren Bronze-Türen in den Sinn, etwa das Petersportal, das als einziges noch Skulpturenschmuck aus dem Mittelalter besitzt.

An der Nordseite zum Bahnhof hin aber findet sich ein Bretterverschlag. Laut Deml "sicher nicht die schönste Tür des Doms" - und doch ein stark benutzter Zugang. Seit den 1970er Jahren öffnet sich hier der Weg zum Bauaufzug, der Mann und Material an der Gebäudeaußenseite auf die 20-, 27- oder 45-Meter-Ebene hebt. Solche Arbeitstüren finden sich auch auf der anderen Seite am Roncalliplatz. Hinter einfachen und etwas kunstvolleren modernen Türen verstecken sich Bauholz, Gerüstteile und Alltags-Klein-Klein wie Abfalltonnen.

Türen entstanden und verschwanden

"Auch eine Domkirche produziert Müll", weiß Deml. Wo Altpapier für die Kerzenkartons und Biotonne für den welken Blumenschmuck stehen, macht er auf einen Eingang "mit der merkwürdigsten Entstehungsgeschichte" aufmerksam. Ursprünglich war das Mauerwerk hier geschlossen, bis eine Bombe im Zweiten Weltkrieg ein Loch riss.

Neue Türen entstanden, andere sind dafür verschwunden. Von einer nicht mehr vorhandenen Tür ist immerhin ein kleiner Rest geblieben. Dieser aber gibt unübersehbar Zeugnis über das Pilgerzentrum Köln.

Unten in der Domgrabung, wo Archäologen drei, vier Meter unter dem heutigen Niveau Spuren des Vorgängerbaus aus dem 9. Jahrhundert freilegen, weist Deml auf die Schwelle des früheren Haupteingangs hin. Sie weist eine starke Vertiefung auf - "von Jahrhunderten von Füßen ganz abgelaufen", so Deml.

Treppe 5

Die Spurensuche setzt sich in der Höhe des Domdachs fort. In den schmalen äußeren Gängen des Steingebirges stellen sich immer wieder kleine graue Holztüren in den Weg, hinter denen sich der eine oder andere Dachstuhl öffnet und wieder verschließt. Diese Sorte, die an Kellerverschläge erinnert, macht einen Großteil der 350 Domtüren aus. Manche geben gar keinen Weg frei; dahinter laufen Regenrinnen zu einem kleinem Kanalsystem zusammen.

Eine schmale Holztür ist mit der lapidaren Nummer "021" gekennzeichnet - und lässt völlig offen, welche Besonderheit sich dahinter verbirgt. Es ist "die berühmte Treppe 5", also einer der beiden mittelalterlichen Abgänge, über die laut Deml "mit Sicherheit einst Meister Gerhard gegangen ist", also der erste Kölner Dombaumeister.

Die abgewetzte Stufen führen nach unten in den Chor, um den sich wie ein Kranz kleine Kapellen reihen. In einer leuchtet an der Wand in der Morgensonne ein etwa vier Meter hoher grüner Vorhang. Deml zieht ihn wie im Theater mit einer Kordel beiseite. Und auf der Bühne erscheint der Nachfolger von Meister Gerhard, Dombaumeister Arnold.

"Fassadenriss F"

Besser gesagt: dessen Werk, der "Fassadenriss F". Der lange Zeit verschollene mittelalterliche Bauplan mit den beiden Domtüren belebte im 19. Jahrhundert die Vision, den Dom nach 300-jähriger Baupause doch noch zu vollenden. Die feine Pergamentzeichnung mit den Stockflecken schützt ein Vorhang vor dem UV-Licht. Aber zumindest ab und an kann Deml diese textile Tür lüften - und so den Blick auf große Geschichte freigeben.


Matthias Deml / © Matthias Jung (KNA)
Matthias Deml / © Matthias Jung ( KNA )
Quelle:
KNA