DOMRADIO.DE: Bei der dritten Vollversammlung des Synodalen Wegs wurde mehr Mitbestimmung bei der Wahl der Bischöfe gefordert. Kritiker dieses Konzepts finden: Ein Bischof soll nicht der sein, der sich am besten verkaufen kann und gewählt wird, sondern der, der das Beste für die Kirche und deren Mitglieder will. Ist das für Sie ein Argument, dass es bei einer Wahl nur darum geht, ob sich jemand im Wahlkampf gut verkaufen kann und nicht darum, dass er ein guter Hirte wäre?
Heinrich Bedford-Strohm (Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und ehemaliger EKD-Ratsvorsitzender): Nein, das ist kein Argument. Da darf man die Synodalen nicht unterschätzen. Die spüren das schon ganz genau, ob da jemand nur Schaumschläger ist und nur schön redet, aber nichts dahinter ist. Oder aber ob jemand das, was er zutiefst glaubt, was er an Orientierung zu geben versucht und was er selbst im Gespräch mit anderen sich an Urteilen erarbeitet hat, auch rüberbringt.
Das ist natürlich ein wichtiges Argument, dass Menschen das, was sie denken und fühlen, auch kommunikativ rüberbringen können. Deswegen sind diese Eigenschaften von Bischofskandidaten oder -kandidatinnen natürlich Gesichtspunkte, die für die Synodalen dann von Bedeutung sind. Aber niemand wird sich hier von irgendjemandem für dumm verkaufen lassen. Da unterschätzt man wirklich die Persönlichkeit all dieser Synodalen, die von den Gemeinden abgeordnet worden sind.
DOMRADIO.DE: In der evangelischen Kirche weiß man als Bischof oder Bischöfin, dass die Menschen, die einen gewählt haben, auch hinter einem stehen. Macht das vielleicht auch einen psychologischen Unterschied, wenn man in dieser Position dann zum Beispiel mal eine schwere Entscheidung zu treffen hat? Was haben Sie da für Erfahrungen gemacht?
Bedford-Strohm: Auf jeden Fall ist das viel Rückenwind. Das ist etwas ganz Starkes. Als ich als Ratsvorsitzender mit 124 von 125 Stimmen in geheimer Wahl wiedergewählt wurde, da war das für mich natürlich ein riesen Rückenwind. Bei bestimmten Positionen, die ich auch gegen Widerstände in der Öffentlichkeit dann zum Ausdruck gebracht habe, wusste ich die Synodalen, die mich gewählt haben, hinter mir. Und auch dann, wenn ich vielleicht Meinungen vertreten habe, die nicht alle Synodalen so geteilt haben, wusste ich, dass sie mir dieses Grundmandat gegeben haben, wohl wissend, was für Positionen ich vertrete. Das ist auf jeden Fall ein starker Rückenwind.
DOMRADIO.DE: Könnten demokratische Wahlen kirchliche Macht nicht auch in gewisser Weise legitimieren und so dem Amt auch mehr Autorität geben?
Bedford-Strohm: Aus meiner Sicht ist es so. Die Tatsache, dass Menschen von den Vertreterinnen und Vertretern der Gemeinden gewählt worden sind, ist natürlich ein starkes Mandat, sie dann auch in der Öffentlichkeit zu vertreten. Es ist ja ganz klar, dass man nicht einfach nur sagen kann: Das ist Demokratie. Denn es ist Demokratie plus Evangelium. Es ist nicht so, dass sozusagen die Mehrheitsentscheidung wahr ist, sondern es ist so, dass sehr viele Menschen, die alle gemeinsam das Evangelium verbindet, zusammenkommen. Die versuchen, von ihrem Glauben her die richtigen Entscheidungen zu treffen. Sie orientieren sich aber immer an Jesus Christus. Das ist schon das, was uns alle verbindet. Deswegen ist es nicht einfach nur vergleichbar mit einem säkularen Parlament.
Aber die Frage ist ja: Wie interpretieren wir heute diese Botschaft des Evangeliums? Und da kann man in der Tat nicht sagen, ein Bischof oder ein Pfarrer hat hier abgesehen von seinem Theologiestudium, wo er Zeit hatte, sich das zu erarbeiten, einen wesentlichen Vorsprung. Sondern da wird im Diskurs geklärt, was die Bibel uns an Orientierung heute mitgeben will.
DOMRADIO.DE: Ein weiterer Punkt, der jetzt viel diskutiert wird, ist, dass die Amtszeit von Bischöfen in der katholischen Kirche auch begrenzt werden soll. Das ist zumindest im Gespräch. Bisher bleibt ein Bischof bis zu seinem 75. Lebensjahr im Amt und dann bietet er dem Papst den Rücktritt an. Was sind die Vorteile einer Amtszeit, die begrenzt ist? Oder denkt man dann nicht vielleicht immer nur an die Jahre bis zur nächsten Wahl?
Bedford-Strohm: Wenn es so wäre, dass man für drei Jahre gewählt ist, dann kann man vielleicht diesen Gedanken haben. Aber in meinem Fall war es so: Ich bin der zweite Bischof, der nicht mehr auf Lebenszeit gewählt worden ist in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, sondern auf zwölf Jahre. Ich habe das als etwas sehr Gutes empfunden. Das ist übrigens auch ohne Wiederwahlmöglichkeit. Insofern war immer klar: Diese zwölf Jahre und nicht mehr. Ich finde, das ist eine lange Zeit, in der man viele Akzente setzen kann, in der man auch viel herumkommt und viele Menschen kennenlernt. Diese lange Dauer der Amtszeit schützt davor, dass man jetzt immer nur kurzfristig orientiert sein Amt versieht.
Ich glaube, es ist gut, dass Amtszeiten begrenzt sind, denn Gemeinden und die Kirche insgesamt brauchen immer wieder neue Impulse. Das war auch ein wesentlicher Grund, warum ich nach sieben Jahren Ratsvorsitz der EKD gesagt habe: Das möchte ich jetzt in andere Hände geben. Übrigens freue ich mich auch, dass es in weibliche Hände gekommen ist. Auch das ist ein Aspekt. Insofern tun neue Impulse von den Personen her auch der Kirche gut. Deswegen finde ich es persönlich gut und es hat mich nie gestört. Ganz im Gegenteil. Es ist eine klare, verlässliche und lange Zeit, in der man sehr viele Akzente setzen kann.
DOMRADIO.DE: Würde all das die Kirche aus der Krise führen und vielleicht sogar auch Austritte vermeiden? Die Zahlen sind ja gerade ziemlich hoch. Die Protestanten haben ja diese Regeln schon länger. Dennoch gibt es ja auch da viele Austritte und eine Kirchenkrise.
Bedford-Strohm: Ja, deswegen würde ich mir da nie ein Urteil anmaßen, ob diese Maßnahmen die katholische Kirche aus der Krise führen oder Mitgliederschwund bremsen können. Das ist nicht meines Amtes, das jetzt von außen zu beurteilen. Aber für mich jedenfalls ist der Hauptgrund nicht: Wie viele Mitglieder kann ich dadurch gewinnen oder wie viele kann ich vermeiden zu verlieren. Der Hauptgrund ist vielmehr inhaltlich, dass wir alle miteinander das Volk Gottes sind und dass es keine wesensmäßigen Vorsprünge von bestimmten Menschen wie Theologen, Pfarrerinnen, Pfarrern, Bischöfen gibt. Wir alle sind miteinander das Volk Gottes und müssen miteinander mit den Kompetenzen, die da jeweils dann da sind, klären, was der richtige Weg für die Kirche Jesu Christi heute ist. Das ist für mich der Hauptgrund.
Dass Menschen aus der Kirche austreten, hat viele sehr verschiedene Gründe. Dabei können im Hinblick auf die katholische Kirche diese Fragen auch eine Rolle spielen, aber es sind viel mehr Fragen, die da im Hintergrund stehen. Und deswegen kann man das jetzt nicht davon abhängig machen, wie viel das im "Mitgliedersaldo" dann am Ende bringt.
Das Interview führte Michelle Olion.