Tagelang hing das Gespenst einer Trinkwasser-Rationierung über der italienischen Hauptstadt: Angesichts des gesunkenen Pegels im Braccianer See, einem wichtigen Reservoir, drohte ab dem Wochenende eine Rationalisierung. Am Tag nach dem Stichdatum scheinen die Sorgen verflogen wie Tau in der Morgensonne. Roms berühmte "nasoni", gusseisernen Trinkbrunnen, plätschern wie eh und je, kristallklar, kühl und verschwenderisch.
Die Einigung zwischen dem Wasserversorger Acea, der Regierung und den Kommunen um Bracciano kam am Freitagnachmittag buchstäblich auf dem letzten Tropfen ins Ziel. Bis zum 10. August darf Rom den malerischen Kratersee im Norden weiter anzapfen, wenngleich mit nur 400 Litern pro Sekunde statt 900 wie bisher. Danach wird die Quote nochmal halbiert. Am 1. September heißt es "Wasser halt".
Anzeigen wegen Umweltvergehen
Dem Beschluss ging ein hitziges Ringen voraus. Die Gemeinden um den Braccianer See sind mit der Geduld am Ende, nachdem Bitten und Warnungen seit Mai ohne Wirkung blieben. Nach einem außergewöhnlich trockenen Frühsommer ist der Wasserspiegel 160 Zentimeter niedriger als normal; auch wenn der zuständige Acea-Manager Paolo Saccani beteuert, dass nur 18 Zentimeter auf das Konto der Wasserentnahme gingen, sehen die Anrainer ihn als den Schuldigen.
Inzwischen laufen zwei Anzeigen gegen Saccani wegen Umweltvergehen, die Staatsanwaltschaft Civitavecchia schickte am Donnerstag Carabineri in die römische Acea-Zentrale, um Akten über die Pumpquoten zu beschlagnahmen. Auch mit der Region Latium hatte der Versorger einen juristischen Schlagabtausch: Latiums Präsident Nicola Zingaretti, der von einer drohenden Katastrophe für Bracciano sprach, wollte die Wasserentnahme ab Freitag gerichtlich stoppen, die Acea erhob dagegen Einspruch und verlor.
"Eine unerträgliche Situation"
Die Acea, im Mehrheitsbesitz der Stadt Rom, malte tagelang aus, welche Folgen ein Abschalten der Pumpen hätte. Der Braccianer See liefert laut dem Unternehmen zwar nur 8 Prozent des römischen Trinkwassers, aber das entspricht dem Bedarf von 400.000 Menschen. Damit sie nicht vollständig auf dem Trockenen säßen, würde man im Schichtwechsel jeweils ein Stadtgebiet für acht Stunden abklemmen - eine Rationierung für 1,5 Millionen Bürger.
Eine utopische Vorstellung. Schließlich wären neben Privathaushalten auch Krankenhäuser und Feuerwehren betroffen. "Eine unerträgliche Situation", sagte Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi. "Man kann den Römern nicht das Wasser abdrehen." Sie verlangte, die Regierung müsse den Notstand ausrufen und "die nötigen Maßnahmen ergreifen". Raggi sorgt sich um das Image ihrer Stadt - als seien überquellende Müllcontainer, klapprige Busse und eine marode Infrastruktur nicht genug.
Das Schweigen der Brunnen
Umweltminister Gianluca Galleti verwies darauf, es sei "unvorstellbar, dass 40 von 100 Litern Wasser verloren gehen". Dies ist in der Tat nach Berechnungen des Versorgerverbands Utilitalia die Größenordnung, in der Trinkwasser aus undichten Leitungen sickert oder illegal abgezapft wird. Unterdessen hat die Acea die ersten rund 200 "nasoni" trockengelegt.
Mehr als 2.000 Trinkbrunnen sprudeln munter weiter, und von einer Komplettabschaltung dieser jahrhundertealten Gratisversorgung spricht niemand. Konsequenter handelt der Vatikan: Seit Montag schweigen seine 100 Brunnen, auf dem Petersplatz wie in den Vatikanischen Gärten, und auch, obwohl einige von ihnen mit geschlossenem Wasserkreislauf betrieben werden.
"Notstand - ach wo"
Es gehe mehr um die Zeichenwirkung, erklärte der Papst-Sender Radio Vatikan. Schließlich beklagt Papst Franziskus in seiner Umwelt-Enzyklika "Laudato si" (2015) die Wasserverschwendung auf Kosten der Armen. Just derzeit arbeitet der Heilige Stuhl an einem neuen Dokument über Trinkwasser als Menschenrecht.
Der typische Römer ist gewohnt, dass ewig alles weiterläuft wie bisher, auch das Wasser. "Notstand - ach wo", sagt ein Blumenhändler an einer Straßenecke. "Wir haben doch die alten Aquädukte." Und ein anderer meint: "Italien ist vom Mittelmeer umgeben - wir bauen ein paar Entsalzungsanlagen, und basta."