DOMRADIO.DE: Beim "Habemus Papam" waren alle Augen auf Tauran gerichtet, aber eigentlich blieb der Vatikan-Diplomat lieber im Hintergrund, oder?
Matthias Kopp (Sprecher der katholischen Bischofskonferenz): Genau, er war ein Mann des Hintergrunds. Aber dafür auch ein ganz Großer.
DOMRADIO.DE: Warum?
Kopp: Weil er im Hintergrund geblieben ist und dort die Fäden gezogen hat. Er hat sicherlich in seiner Zeit als Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog ganz Großartiges geleistet.
Er hat Dialog-Konferenzen veranstaltet, die man sich wohl vorher nicht hätte vorstellen können. Ich erinnere mich, dass er die Al-Azhar Universität in Kairo nach Rom eingeladen hat. Er war ein wirklicher Brückenbauer, aber im Hintergrund.
DOMRADIO.DE: Er war ja auch einer der letzten Kurienkardinäle aus dem Pontifikat von Papst Johannes Paul II. Wie hat er denn die Umbrüche im Vatikan miterlebt?
Kopp: Vor allem war es ihm wichtig, dass er die Erfahrungen, die er gesammelt hat, in die Prozesse einbringen konnte. Zum Beispiel im Bereich des interreligiösen Dialogs.
Aber fast noch wichtiger: In seiner Zeit, in der er quasi Außenminister des Vatikans war, hat er das außenpolitische Gesicht des Vatikans geprägt. Das war in den 1990er Jahren. Diese Erfahrung hat er mit in die Umbrüche der Kurie hineingenommen. Das ist die Zeit, wo wir uns sehr intensiv kannten und auch manches unternommen haben.
DOMRADIO.DE: Das war auch die Zeit, wo Sie sich schon kannten und auch manches unternommen haben. Was war in dieser Zeit, in der er außenpolitisch tätig war, am prägendsten?
Kopp: Am prägendsten in der außenpolitischen Zeit war sicherlich die Phase, in der er sich dafür eingesetzt hat, dass Jerusalem Hauptstadt zweier Staaten sein müsse – eines israelischen und palästinensischen.
DOMRADIO.DE: Sie haben es angedeutet. Er saß auch in der Vatikan-Delegation bei der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, der KSZE, und der UN-Konferenz für Abrüstung. Er war ein politischer Kardinal. Wie hat er denn Glaube und Politik miteinander verbunden?
Kopp: Er hat aus dem Evangelium heraus argumentiert –nicht frömmelnd, sondern überzeugend. Was in der Bergpredigt und über den Propheten Jesaja und die Botschaft des Friedens zu lesen ist, das hat er in seinen Reden vor der OSZE und anderen Konferenzen mit eingebracht.
Das war das Eindrucksvolle: Er war es, der dann auch in den politischen Krisensituationen von Johannes Paul II. losgeschickt wurde. Da, wo die Politik nach Auffassung des Papstes versagte, wurde Tauran eingesetzt, um als Vermittler zu agieren.
DOMRADIO.DE: Was fällt Ihnen da als Beispiel ein?
Kopp: Das war ganz besonders intensiv unmittelbar vor dem Sturz von Saddam Hussein im Irak zu sehen. Das war aber auch in all den Nahost-Konflikt in den 1990er Jahren zu spüren. Da war Tauran die Allzweckwaffe des Vatikans, die in jede Krisenregion geschickt wurde. Das meine ich positiv.
DOMRADIO.DE: Im März 2015 erhielt Tauran sein letztes Amt als Kardinal-Kämmerer. Welche Aufgaben musste er da wahrnehmen?
Kopp: Er hatte dabei einen schönen Titel: "Camerlengo der Heiligen römischen Kirche". Es wäre seine Aufgabe gewesen bei Ausscheiden des Papstes – durch Tod oder Amtsverzicht – bis zur Wahl des Nachfolgers die Geschäfte des Vatikans zu führen und das Konklave vorzubereiten.
Er wusste um diese Aufgabe und auch um diese Bürde. Dazu sagte er immer: "Trotz meiner Krankheit bin ich dazu bereit dieses Amt wahrzunehmen." Jetzt ist er davon erlöst worden.
DOMRADIO.DE: Was wird Ihnen vom Menschen Tauran im Gedächtnis bleiben?
Kopp: Seine unglaubliche Heiterkeit. Er konnte lachen, das ist mir unvergessen. Und: Sein Interesse am Anderen. Er hat immer erst mal jemand anderes gefragt: "Wie geht's dir?" Er hat sich nie auf sich konzentriert. Und dieses Interesse am Anderen, das wird mir bei ihm ganz besonders fehlen.
Das Interview führte Heike Sicconi.