Weihbischof Grothe zu Libori

"Bis ins Mark getroffen"

Weibischof Manfred Grothe ist als Paderborner Dompropst quasi der Gastgeber des Libori-Festes. Im Interview spricht er über die Feierlichkeiten und das ganz Besondere am Libori-Fest.

 (DR)

domradio.de: Herr Weihbischof, was bedeutet diese Libori-Woche für Sie?
Weihbischof Grothe: Als Paderborner und langjähriges Mitglied des Domkapitels feiere ich dieses Fest schon lange, und das ist für uns Paderborner eine echte, wirkliche fünfte Jahreszeit im Jahr. Es gibt keine Zeit, die so bedeutet ist wie diese – sie ist gleichwertig im Rang zu den anderen Jahreszeiten!

domradio.de: Sie waren jetzt ja schon oft bei den Feierlichkeiten dabei – sind Sie denn trotzdem noch ein bisschen aufgeregt?
Weihbischof Grothe: Das kann man wohl sagen. Nicht nur dass man aufgeregt ist, sondern wenn ich den Libori-Tusch höre in der ganzen Fülle des Klanges, dann bin ich jedes Jahr aufs Neue bis ins Mark getroffen und bis ins Innerste berührt.

domradio.de: Dieser Tusch ist also einer Ihrer Höhepunkte? Oder anders gefragt: Worauf freuen Sie sich in dieser Woche vor allem?
Weihbischof Grothe: Der Tusch ist das äußere Zeichen, das Erkennungszeichen für das Libori-Fest. Wer Libori besucht, will auf jeden Fall diesen Libori-Tusch gehört haben. Natürlich gibt es andere Veranstaltungen, die von der Bedeutung noch einmal höherrangiger und höherwertiger sind, aber so ist das nun einmal mit solchen Erkennungszeichen und -merkmalen. Und das ist für das Libori-Fest der Libori-Tusch. Das Schönste an dieser Libori-Woche ist die Eröffnungsfeier am Samstag mit der Vesper und dann auch die abschließende Repositio am Dienstagnachmittag und eingebettet in diese beiden Veranstaltungen am Anfang und am Ende ist dann das Hochamt am Sonntagmorgen mit der feierlichen Prozession durch die Stadt. Das ist das Trio, das Kernstück der Libori-Woche, alles andere ist später hinzugekommen.

domradio.de: Aber mit dieser Schlussandacht ist dann noch nicht alles vorbei. Wie geht es jetzt in den nächsten Tagen weiter?
Weihbischof Grothe: Mit der Schlussandacht werden die Gebeine des Heiligen Liborius wieder zurückversetzt in das Grab, in die Krypta. Und dann wird eine Liborius-Büste anstelle des Schreins hinter dem Hochaltar im Hohen Dom aufgestellt. Das ist das Zeichen dafür, dass das Triduum abgeschlossen ist, die Verehrung des Heiligen Liborius geht aber noch bis Ende der Woche weiter, wobei es dann typisch ist, dass neben dem strengen liturgischen Programm, das in den drei Tagen, den eigentlichen Festtagen, vorherrschte, dann der andere Akzent mehr zum Tragen kommt, wie wir sagen: Kirche und Kirmes gehören beide zum Libori-Fest. An den anderen Tagen kommen dann immer ganz spezielle Besuchergruppen hier nach Paderborn, die ihren Tag hier beim Heiligen Liborius im festlichen Rahmen, den die Libori-Wochen ihnen bietet, verleben wollen.  

domradio.de: Libori ist ein riesengroßes Fest, aber doch ist es nicht überall in Deutschland bekannt. Vielleicht erklären Sie uns noch einmal, wer eigentlich dieser Heilige Liborius ist und warum er so groß gefeiert wird.
Weihbischof Grothe: Also einer meiner Vorgänger hat das einmal so auf den Punkt gebracht: Nichts und niemand ist so lebendig wie ein toter Heiliger. So kann man das vielleicht zusammenfassen. Der Heilige Liborius, der ja bekanntlich aus Le Mans in Frankreich stammt und der durch die Übertragung seiner Gebeine im Jahre 836 hier nach Paderborn kam, war ein Missionsbischof in Gallien und hat dort begonnen, das Christentum zu verbreiten. Er hat dann nach seinem Tod nochmal hier bei uns in Paderborn, wie man so sagt, eine zweite Karriere gemacht, indem wir ihn hier als den großen Heiligen, als Patron unseres Glaubens in der der Stadt, im Dom und auch in unserem Erzbistum verehren.

domradio.de: Libori wird nicht nur im Dom gefeiert – die großen Gottesdienste natürlich ‑, sondern auch draußen auf den Straßen ist etwas los. Können Kirche und Gesellschaft sich da vielleicht auch ergänzen?
Weihbischof Grothe: Ich bin überzeugt und erlebe es auch immer wieder in meinem täglichen Arbeitsalltag, wie sehr eigentlich viele Bereiche des öffentlichen Lebens von der Kirche und ihrem Auftrag inspiriert sind, wie wir aber auch von dem, was im weltlichen Bereich geschieht und sich ereignet, von den Erfahrungen, die man dort macht, lernen können. Und das ist hier in der Libori-Woche unmittelbar anzutreffen, wenn man z.B. die Veranstaltung des Deutschen Handwerks besucht, dann gehört natürlich ganz selbstverständlich auch der Vertreter der Kirche dazu. Oder wenn am Dienstagmittag die Landwirte aus der ganzen Region in die Stadt kommen, dann ist ganz selbstverständlich auch ein Vertreter der Kirche bei ihnen, weil sich im Laufe der Geschichte gerade mit diesen gesellschaftlichen Gruppen eine Schicksalsgemeinschaft gebildet hat, die einfach weiß, was der eine dem anderen wert ist. Und das was wir hier in der Libori-Woche erleben, ist ganz sicherlich auch ein Kann-sein, ein Paradigma für viele andere Lebensbereiche, weil es ja doch um eine Lebenseinstellung geht, um eine Kraft, aus der wir leben, und die brauchen wir, ob wir nun in der Kirche sind oder im Leben stehen. Und gerade dann, wenn wir im Leben stehen, erweist sich ja der Glaube für ganz viele immer wieder als eine Kraft, die unbesiegbar ist.