domradio.de: Das Ziel der Forscher in London ist es, herauszufinden, warum es in Schwangerschaften zu Fehlgeburten kommt. Das ist ja erst einmal ein guter Grund, oder?
Weihbischof Anton Losinger (Bistum Augsburg, Mitglied des deutschen Ethikrates): Die Gegenfrage müsste lauten: Heiligt der Zweck die Mittel? Denn diese neue Forschungsmethode erlaubt Genversuche an Embryonen, sie erlaubt Eingriffe in die Keimbahn des Menschen von klein auf - und damit die konstante Veränderung seiner Genstruktur auch für alle Nachkommen. Und was man vor allem sehen muss: Diese Forschung bedeutet, dass sämtliche Embryonen - also embryonale Menschen - am Schluss (nach der Forschung, Anm.d.Red.) verworfen, also abgeschafft, werden.
Hier geht es um ein ganz wesentliches Grundrecht, das für jeden Menschen gilt: Würde und Lebensrecht vom ersten Augenblick seiner Zeugung an. Ich denke, überall muss sich Forschung dieser Frage stetig stellen: Heiligt der Zweck die Mittel?
domradio.de: Was genau sind das denn für Embryonen, an denen geforscht wird?
Weihbischof Losinger: Es sind sogenannte überzählige Embryonen, die in dem Verfahren der In-Vitro-Fertilisation - also der künstlichen Generierung von menschlichen Embryonen für die Einpflanzung in den Uterus einer Frau - gewonnen wurden. Und hier sind wir bei einem weiteren Punkt, der eigentlich Alarmglocken schrillen lassen muss: Wie kann es sein, dass in der Folge dieser Technik der künstlichen Befruchtung ganze Berge überzähliger Embryonen entstehen, bei denen im Grunde genommen kein Mensch genau weiß, was man damit anfangen soll? Wenn man davon ausgeht, dass jeder einzelne dieser Embryonen ein Mensch mit Würde und Lebensrecht ist, dann ist hier bereits der Anfang des Unheils geschehen.
domradio.de: Da ist die Einstellung der katholischen Kirche ganz klar. In Großbritannien muss jetzt noch die Ethik-Kommission zustimmen. Sie sind Mitglied des deutschen Ethikrates: Könnte eine solche Genmanipulation an Embryonen auch bald in Deutschland möglich sein?
Weihbischof Losinger: Die Möglichkeiten der Genmanipulation sind ja erst denkbar durch eine ganz neue Technologie, eine weitreichende Technik mit großen Möglichkeiten. Aber so wie überall in der Forschung muss eine nüchterne Technikfolgenabschätzung und eine Wertung der Zwecke geleistet werden. Hier ist etwa die Frage der genetischen Veränderung von Menschen und der Eingriff in die Keimbahn - also die Programmierung sämtlicher künftiger Generationen, die von so einem Menschen abstammen - ein No-Go.
domradio.de: Was genau fordern Sie in dieser Sache?
Weihbischof Losinger: Ich kann mir drei Dinge gut vorstellen. Erstens: Wir müssen uns über den Status des menschlichen Embryos neu gewiss werden. Wir müssen über Würde und Lebensrecht nachdenken, die einem solchen Menschen im Anfangsstadium zukommen. Ein menschlicher Embryo ist keine Sache.
Zweitens: Wir müssen über ein Ende embryonenzerstörender Forschung nachdenken. Und wir müssen uns Gedanken darüber machen, ob wir in Deutschland eine Reproduktionsmedizin wollen, bei der stetig eingefrorene Embryonen entstehen - und das in einer Zahl, die fünfstellig ist. Kein Mensch weiß, was man damit tun soll.
Und schließlich drittens: Wir brauchen ein globales Recht. Es kann nicht in Deutschland durch das Embryonenschutz-Gesetz verboten sein, was in England erlaubt und gefördert wird, und was man sich in Singapur oder in Hongkong täglich kaufen kann. Wir brauchen ähnlich wie bei der Allgemeingültigkeit der Menschenrechte auch bei dieser Frage der biogenetischen Rechte und Möglichkeiten eine globale Reichweite.
Das Interview führte Verena Tröster.