DOMRADIO.DE: Vielleicht wirkt es ein bisschen ungewöhnlich, dass wir jetzt bei diesen heißen Temperaturen über den Winter reden, übers Frieren und übers Energiesparen. Wie warm ist es bei Ihnen?
Gerhard Schneider (Weihbischof Bistum Rottenburg-Stuttgart): Ich sitze in meinem Büro in Rottenburg bei 26,5 Grad. Aber es geht noch. Angesichts der Temperaturen, die heute erwartet werden, ist das noch ganz gut.
DOMRADIO.DE: Vielleicht auch gar nicht schlecht, sich mal ein bisschen erfrischende Gedanken zu machen. Wobei das Ganze einen ernsten Hintergrund hat. Die Frage ist, wie man also auch in den kalten Monaten Gottesdienst feiern kann und wie können wir Energie sparen?
Schneider: Es geht uns eigentlich um drei Dinge. Erstens haben wir diesen Winter eine akute Sondersituation, eine Notsituation, in der Energie wohl sehr knapp und dann auch sehr teuer sein wird. Es ist für uns als Diözese und als Kirche selbstverständlich, dass wir uns an den gesellschaftlichen Bemühungen beteiligen, Energie zu sparen, damit die Versorgung für Privathaushalte und auch für zentrale Bereiche der kritischen Infrastruktur gewährleistet ist.
Zweitens sind wir aber schon seit vielen Jahren sehr bemüht, aus Gründen des Klimaschutzes Energie zu sparen und viele Kirchengebäude sind nun einmal nur unter großem Energieaufwand zu heizen. Das ist ein Problem, was wir schon länger kennen.
Drittens geht es uns und vor allem auch mir als Verantwortlichem für die Liturgie in unserer Diözese darum, dass wir dennoch unsere Kirchen offen lassen und nutzen, auch wenn sie kälter oder kalt sind und darin Gottesdienst feiern und nicht einfach sagen: "Es ist uns zu kalt, wir gehen den Winter über in die wärmeren Gemeindehäuser, in die Säle oder machen einfach wieder alles nur online." Um diesen Punkt geht es uns gerade, vor allem zu ermuntern, sich Gedanken zu machen vor Ort, wie wir Energie sparen können.
Ein Grad gesenkte Temperatur in Kirchen hat schon eine Einsparung von bis zu 10 Prozent zur Folge. Das muss einfach klar sein, wie viel dann geringe Änderungen schon auslösen. Wichtig ist dabei aber immer die Frage, wie wir dann so Liturgie feiern können, dass wir in der neuen Situation die Menschen abholen und zu uns einladen können.
DOMRADIO.DE: Welche Möglichkeiten gibt es da? Werden die Gottesdienste dann kürzer oder wird es kürzere Andachten geben?
Schneider: Es ist so, dass eine Eucharistiefeier sehr anpassungsfähig ist. Wir kennen normalerweise eine Länge von einer Stunde ungefähr. Wenn man in anderen Ländern Eucharistiefeiern besucht, sind die oft auch deutlich kürzer. Es gibt wirklich Anpassungsmöglichkeiten, gerade bei der Feier der Eucharistie. Man kann die in 40 Minuten gut feiern oder auch etwas kürzer, wenn es sein muss, wenn man die Dynamik des Gottesdienstes versteht. Wenn die Predigt kürzer und prägnanter ist. Wenn der Zelebrant auch nur am Anfang und am Ende sehr wenig sagt und nicht zweite und dritte Predigten einfügt. Wenn man die Musik so dynamisiert, dass sie den Gottesdienst gut begleitet und stützt, dann ist da sehr viel möglich.
Manchmal müssen wir auch neu lernen, wie ein Gottesdienst gestaltet werden kann und welche Möglichkeiten es gibt, diesen tatsächlich auch gut anzupassen an die äußeren Umstände.
DOMRADIO.DE: Nicht nur zum Energiesparen könnten diese Elemente, die Sie genannt haben, ja eine Möglichkeit sein. Menschen in der Kirche wieder ein bisschen wacher zu halten oder auch Menschen zu finden, die ganz neu dahin kommen, sind auch zwei weitere Punkte. Aber bei welcher Kälte darf denn der Gottesdienst wie lang sein?
Schneider: Ich habe selber eine ganz wunderbare Erfahrung gemacht vor einigen Jahren im Allgäu, wo es sehr kalt werden kann. Ich kam dort an zu einer Vertretung, sonntagmorgens um 9.30 Uhr, Strahlen der Sonne, eisige Kälte. Das Autothermometer zeigte -24 Grad, in der Kirche waren es -2, also eisig. Es war das einzige Mal, dass ich erlebt habe, dass das Weihwasser eingefroren war. Dann kam ein Ministrant auf mich zu und sagte: "Bei uns ist es üblich, dass die Predigt in Minuten nicht länger dauert, als es Plusgrade in der Kirche gibt." Es war klar, was das hieß. Wenn es so kalt ist, wird ausnahmsweise nicht gepredigt. Das war dann auch so, aber es waren viele Leute da. Es war eine sehr kurze, 35-minütige Eucharistiefeier, aber sehr gut.
Man kann sicher die Predigt nicht immer ausfallen lassen. Man kann auch kurz predigen. Es gibt auch Möglichkeiten, gerade die Feier der Eucharistie entsprechend anzupassen.
In der Corona-Krise haben zwangsläufig Formate ausprobieren müssen, die innovativ, die neu sind, um die Kirchen offen zu halten: kurze Andachten, eucharistische Anbetung, wo die Leute selbst entscheiden können, wann sie hinzutreten, wann sie wieder gehen. Die Kirche als Gebetsort auch für den Einzelnen offen zu halten, mit Fürbittbüchern, mit kurzen, einladenden Gebetszetteln, die die Menschen mitnehmen können. Es gibt so viele Möglichkeiten, dass man die Kirchen offen hält und dass die Menschen auch dann einen guten Ort finden, wenn es kalt ist und sie nur kurz dort sein können.
Das Interview führte Dagmar Peters.