domradio.de: Sie waren die ganzen Weihnachtsfeiertage auf dem Meer. Wie lief es?
René Schulthoff (Organisation SOS Mediterranee): Wir haben ein bisschen Weihnachten feiern können. Wir hatten ja erst zwei Tage vor Weihnachten einen Einsatz, bei der wir 112 Kinder, Frauen und Männer retten konnten. Die wurden von der italienischen Küstenwache übernommen, sodass wir es dann geschafft haben am Heiligabend zumindest eine Stunde zusammenzusitzen bei einem leckeren Weihnachtsessen - ohne Glas Wein und ohne Glas Bier. Dann ging es früh ins Bett. Denn ab 23 Uhr mussten wir schon wieder einsatzbereit sein. Seither gab es aber keinen Einsatz.
domradio.de: Wie sieht das Wetter denn bei Ihnen aus?
Schulthoff: Bei uns war es auch so stürmisch. Wir hatten bis zu drei Meter hohe Wellen. Das macht Rettungen sehr kompliziert. Momentan hat sich das Wetter aber gebessert. Deswegen sind wir mit allen Augen und Ohren an Deck und halten Ausschau.
Das machen wir jeden Morgen ab sechs Uhr. Wir haben Schichten, bei denen Kollegen dann das Meer nach Schleppern absuchen. Weil sich das Wetter gebessert hat, gehen wir davon aus, dass die Bedingungen auch an der libyschen Küste besser sind, und dass in den nächsten 24 Stunden viele Flüchtende auf das Wasser gehen. Dann müssen wir sie dort retten.
domradio.de: Zu wie vielen sind Sie aktuell auf dem Boot?
Schulthoff: SOS Mediterranee hat ein Team von elf freiwilligen Helfern an Bord. Wir arbeiten ja ganz eng mit den Ärzten ohne Grenzen zusammen, die derzeit mit sieben Medizinern an Bord sind, darunter Krankenschwestern, eine Hebamme und eine Ärztin. Für das Schiff sind auch noch mal zehn Mann zuständig. Insgesamt sind wir also eine Truppe von etwa 30 Männern und Frauen hier an Bord.
domradio.de: Wann geht's zurück an Land?
Schulthoff: Wir rotieren alle drei Wochen. Das heißt, wir sind nach Plan drei Wochen auf See und legen in der dritten Woche an und wechseln die Crew. Natürlich, wenn wir zwischendrin Menschen retten, bringen wir diese auch an Land.
domradio.de: Wann ist der nächste geplante Landgang für Sie?
Schulthoff: Wir werden Anfang Januar wieder zurück in unseren Heimathafen nach Sizilien fahren. Dort gibt dann den einen Teamwechsel. Ich werde zum Beispiel selbst von Bord gehen und von einer Kollegin abgelöst. Aber einige meiner Kollegen, die hier freiwillig arbeiten, machen das auch bis zu sechs oder neun Wochen.
domradio.de: Jetzt steht auch Silvester vor der Tür - werden Sie den Jahreswechsel auch auf dem Meer verbringen?
Schulthoff: Dieses Jahr sind wir Weihnachten und Neujahr auf dem Meer. Das ist halt so. Dafür haben wir uns entschieden. Es gibt immer ein paar Minuten, wo man auch mal zusammen sein kann. Ich will nicht sagen, dass wir hier feiern können, weil wir immer bereit sein müssen. Aber irgendwie schaffen wir es, dann doch etwas besinnlich zu sein. Das hat Weihnachten ganz gut geklappt. Was wir Neujahr machen werden, weiß ich nicht. Das hängt immer ein bisschen davon ab, welche Rettung ansteht, und was wir dann genau machen müssen.
Das Interview führte Silvia Ochlast.