DOMRADIO.DE: Die ersten Olympischen Winterspiele fanden 1924 in den französischen Alpen statt. Damals war Pius XI. Papst. Welche Beziehung hatte er zu den Spielen?
Ulrich Nersinger (Vatikan-Kenner): Eine sehr enge. Denn die Spiele fanden ja in Chamonix in den französischen Alpen statt. Pius XI. war als junger Priester und als Monsignore ein begeisterter Bergsteiger und als solcher auch berühmt. Er konnte sogar eine Erstbesteigung aufweisen und war Verfasser bedeutender alpinistischer Schriften. In Chamonix hat er viele Besteigungen unternommen, und als dort Winterspiele stattfanden, hat er sich sehr dafür interessiert. Das wissen wir von seinem Sekretär Carlo Confalonieri.
Pius XI. hat auch danach weiter die Olympischen Winterspiele verfolgt. Er stand da durchaus in guter Tradition. Schon 1908 hatte Baron Coubertin, der die Wiederbelebung der olympischen Idee verfolgte, eine Audienz bei Pius X. gehabt und fand eine sehr große Unterstützung für dieses Projekt.
DOMRADIO.DE: Päpstliche Botschaften zu den Spielen und päpstliche Segnungen der olympischen Fackeln kamen erst später auf?
Nersinger: Das kam später auf. Im Jahre 1956 fanden die Olympischen Winterspiele in Norditalien statt. Der Fackellauf hatte in Rom Station gemacht und Pius XII. hat die Fackel gesegnet. Viele Jahrzehnte später kam es noch einmal zu einer Segnung der Fackel, die diesmal von vatikanischen Läufern getragen wurde. Das waren zwei vatikanische sportlich interessierte Angestellte:
Ein Schweizer Gardist und ein Gendarm haben die olympische Fackel ein Stück weit die Via delle Costellazioni getragen und dann auf dem Petersplatz die Fackel hochgehalten. Das war am 8. Dezember im Angelus. Und da hat der Papst das olympische Feuer damals gesegnet.
DOMRADIO.DE: Mit dem Polen Johannes Paul II. saß dann lange Jahre ein wirklich passionierter Skiläufer auf dem Petrusstuhl. Wie stand er zu den Winterspielen?
Nersinger: Sehr offen, weil er Ski-begeistert war. Man hat ihm sogar ermöglicht, in Bozen dem Skisport zu frönen - unter sehr verdeckten Möglichkeiten. Damals wurde das noch als Geheimoperation eingestuft. Später hat er dann mehr oder weniger offen Urlaub in den Alpen gemacht und sich dem Wintersport hingegeben. Das belegen eine ganze Reihe von Fotos. Johannes Paul II. war der olympischen Idee auch sehr zugetan. 1975 hatte das Internationale Olympische Komitee eine besondere Auszeichnung gestiftet, den Olympic Order. Der wurde dann 1981 Johannes Paul II. sogar vom Olympischen Komitee verliehen.
DOMRADIO.DE: Viele Jahre später hat Papst Franziskus 2018 bei den Winterspielen in Südkorea noch einmal die völkerverbindende Kraft dieser Winterolympiade betont und gewürdigt. Inwiefern?
Nersinger: Ja, weil diese Spiele etwas Besonderes waren. Südkorea und Nordkorea liefen ins Stadion gemeinsam ein, praktisch mit einer Mannschaft. Der Papst sah das damals als eine Friedensolympiade, als eine Möglichkeit. Er hat selber gesagt, dass beide Koreas als ein Team unter der Flagge der koreanischen Einheit gegeneinander antreten, gebe Hoffnung auf eine Welt, in der Konflikte friedlich gelöst werden können. Leider hat sich das in den letzten Jahren nicht so erfüllt. Aber die Idee hat er doch als sehr gut empfunden. Ich denke, er hat immer noch Hoffnung, dass die Olympischen Spiele etwas sind, was die Völker verbinden kann.
DOMRADIO.DE: Mit dieser Hoffnung sind wir bei den aktuellen Winterspielen in Peking angekommen, die vorsichtig formuliert, mindestens eine ambivalente Angelegenheit sind. Hat sich Papst Franziskus dazu geäußert?
Nersinger: Soweit ich informiert bin, hat er sich bisher sehr zurückgehalten. Das könnte verschiedene Gründe haben. Ich denke, er wird wahrscheinlich auch noch einmal Stellung dazu nehmen. Aber er wird das vermutlich allgemein halten, weil er natürlich auch etwas schauen muss, dass die sehr fragilen Beziehungen zwischen dem Vatikan und der Volksrepublik China nicht gestört oder in irgendeiner Weise missbraucht werden. Da ist im Vatikan auch eine gewisse Angst vorhanden, dass man der katholischen Kirche schaden könnte, obwohl der Papst natürlich eindeutig dafür ist, dass die Menschenrechte auch in China gewahrt werden.
Das Interview führte Hilde Regeniter.