Welt-Aids-Konferenz in Toronto hat begonnen

Gelegenheit oder Gerede?

Warnungen, Meinungen und Forderungen bei der Welt-Aids-Konferenz im kanadischen Toronto: Afrikanische Kirchen fordern mehr internationale Anerkennung für ihren Beitrag zur Versorgung HIV-Infizierter. Das Kinderhilfswerk UNICEF warnt davor, dass es in den nächsten Jahren immer mehr Aids-Waisen in Afrika geben wird.

 (DR)

Warnungen, Meinungen und Forderungen bei der Welt-Aids-Konferenz im kanadischen Toronto: Afrikanische Kirchen fordern mehr internationale Anerkennung für ihren Beitrag zur Versorgung HIV-Infizierter. Das Kinderhilfswerk UNICEF warnt davor, dass es in den nächsten Jahren immer mehr Aids-Waisen in Afrika geben wird. Die Internationale Aids-Gesellschaft hat dazu aufgerufen, die aktuelle Chance im Kampf gegen Aids zu nutzen; der Direktor des Aids-Programms der Vereinten Nationen UNAIDS betont dagegen, dass "derzeit nirgends das Ende von Aids" in Sicht sei.

UNICEF stellt Aids-Waisen-Bericht vor
Die Zahl der Aids-Waisen in Afrika wird in den nächsten Jahren weiter steigen. Bereits jetzt hätten zwölf Millionen afrikanische Kinder ein oder beide Elternteile durch die Immunschwäche-Krankheit verloren, teilte UNICEF auf der Welt-Aids-Konferenz in Toronto mit. Bis 2010 rechnet das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen mit 15,7 Millionen Aids-Waisen auf dem Kontinent. Die Deutsche Welthungerhilfe wies darauf hin, dass das Wegbrechen ganzer Eltern- und Lehrergenerationen auch Folgen für die Erziehung und Bildung habe.

Hören Sie hier im domradio-Interview Helga Kuhn, Pressesprecherin von UNICEF-Deutschland.

UNICEF stellte in Toronto gemeinsam mit UNAIDS und der Aids-Initiative des amerikanischen Präsidenten den Bericht "Afrikas verwaiste Generationen" vor. Danach sind allein in Südafrika, Simbabwe, Tansania und Kenia mehr als 4,3 Millionen Jungen und Mädchen durch Aids zu Waisen geworden.

UNICEF begrüßte die Ankündigung von Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), die Bundesregierung wolle ab 2008 mehr Geld zur Aids-Bekämpfung zur Verfügung stellen. Das Kinderhilfswerk forderte, diese zusätzlichen Mittel gezielt für betroffene Kinder einzusetzen. Vor allem Mädchen könnten nicht zur Schule gehen, weil sie ihre Eltern bis zum Tode pflegen müssten. Nach dem Tod der Eltern könnten sie nicht zur Schule zurückkehren, das sie arbeiten müssten, um ihr Überleben zu sichern.

Afrikanische Kirchen: Eigene Arbeit mehr wertschätzen
Ein in Toronto vorgestellter Bericht der britischen Entwicklungsorganisation "Tearfund" schätzt den Wert der kirchlichen Aids-Arbeit auf jährlich umgerechnet 18 Milliarden Euro. 97 Prozent der Gemeinden in sechs Ländern Afrikas arbeiteten für Waisen und gefährdete Kinder. In Namibia engagierten sich 79 Prozent der Kirchen und christlichen Organisationen in der Aids-Hilfe.

Tearfund-Sprecherin Veena O'Sullivan sagte, die internationalen Geberorganisationen müssten dringend das Potenzial der Kirchen erkennen. Durch ausreichende Finanzierung könnten Kirchen auch in der Prävention der HIV-Weitergabe von Mütter auf Kinder aktiv werden und so viele der jährlich 600.000 Neuinfektionen vermeiden.

Kritisch setzt sich der Report mit kirchlichen Standpunkten gegenüber Sexualität auseinander. Der frühere anglikanische Erzbischof von Canterbury, George Carey, schreibt im Vorwort: "Zu oft versagen die Kirchenführer, wenn es darum geht, offen über Sexualität zu sprechen; sie verpassen so die Chance, Verhaltensänderungen zu bewirken."

Im Zentrum steht der wissenschaftliche Austausch
Zur 16. Welt-Aids-Konferenz sind mehr als 20.000 Delegierte aus Wissenschaft, Politik und Medizin im kanadischen Toronto zusammengekommen. Die Präsidentin der Internationalen Aids-Gesellschaft (IAS), Helene Gayle, rief am Sonntag dazu auf, die sich jetzt bietende große Chance auf einen Wendepunkt im Kampf gegen Aids nicht zu verpassen.

Der Direktor des Aids-Programms der Vereinten Nationen UNAIDS, Peter Piot, betonte aber, dass "derzeit nirgends das Ende von Aids" in Sicht sei. Die Konferenz könne nur dann ein Erfolg werden, wenn nun die Grundsteine für langfristige Anti-Aids-Arbeit gelegt würden. "Die Leben von Hunderten von Millionen Menschen hängt davon ab, genügend Gelder für HIV-Präventionsprogramme zusammenzubekommen", so Piot.

Bis Freitag wollen die Experten Fortschritte und Rückschläge sowie Perspektiven und Ziele des weltweiten Engagements gegen die tödliche Immunschwäche beleuchten. Im Zentrum steht der wissenschaftliche Austausch. Rund 13.000 Beiträge beschäftigen sich mit Prävention, Therapie-Erfolgen und dem Stand der Entwicklung von Impfstoffen. Zugleich wollen Regierungen, die Vereinten Nationen und Vertreter der Zivilgesellschaft das Forum nutzen, um bessere Rahmenbedingungen für die Hilfe besonders betroffener armer Staaten abzustecken.

Ein Interview mit Prof. Norbert Brockmeyer, Vorsitzender der Deutschen AIDS-Gesellschaft und Leiter der immunilogischen HIV Ambulanz St. Josef der Ruhr Uni Bochum. Zu den Chancen der Aidskonferenz und dem Kampf gegen Aids in Deutschland.

Deutschland stellt mehr Geld im Kampf gegen Aids bereit
Kritiker betonen, dass die jährlich organisierten Großkonferenzen zu wenige greifbare Ergebnisse erbringen und zu teuer seien. Die Veranstalter verwiesen darauf, dass der Großteil der für Toronto veranschlagten 15 Millionen Euro von Sponsoren übernommen werde.

Ausrichter der Konferenz ist die IAS, unter anderem zusammen mit UNAIDS. Neben mehr als 400 Einzelveranstaltungen wird es Plenumssitzungen geben. Jeder Tag steht unter einem Schwerpunktthema. So wird es am Dienstag um Prävention, am Donnerstag um den Zusammenhang von Aids, Armut und Entwicklung gehen. Auch Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul kommt nach Kanada. Sie sagte im Vorfeld eine Erhöhung deutscher Gelder für Anti-Aids-Programme zu.
(KNA, epd, dr)